Dienstag, 13. Januar 2009

Joschka Fischer in Münster: Ein unmöglicher Friede?

Joschka Fischer gilt als unkonventioneller Politiker - zurecht wie er am Dienstagabend in Münster unter Beweis stellte. Im Rahmen einer Ringvorlesung sprach er zum brisanten und aktuellen Thema “Ein unmöglicher Friede? Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern”. Hingesehen war live vor Ort.

Wie zu erwarten sprengte die Aussicht, einen ehemaligen Bundesaußenminister zu einem momentan so heiß diskutierten Thema zu hören, den Rahmen des Vorlesungssaales. So saßen auch noch im Foyer viele Studenten und andere Besucher, die den Grünen-Politiker hören wollten - insgesamt sicher mehr als 1.000 Zuhörer.

Wer sich hoffnungsspendende Versprechen und beruhigende Verheißungen bezüglich des Konfliktes im Nahen Osten wünschte, wurde von Fischer bitter enttäuscht. Viel mehr glänzte er mit Realismus, der so manchen in depressives Schweigen versetzte. Der ehemalige Vermittler in diesem Krisengebiet verzichtete weitgehend auf Politiker-Phrasen und scheute nicht, offen seine Meinung zu äußern.

Joschka Fischer über…

Die Hoffnung auf Frieden

Er hat keine große Hoffnung, dass der Konflikt zwischen Israel und Palästinensern allzu bald gelöst wird, da beide keine Bereitschaft zeigen, das Territorium zu teilen. Dies sei aber unbedingt notwendig, um zu einer langfristigen Lösung zu kommen. Sowohl Israel und Palästina würden nie ganz von der Landkarte verschwinden und hätten ein Recht auf einen Staat.

Die Basis des Streits ist die Uneinigkeit über die genauen Grenzen von Israel, so Fischer weiter. Dies unterstrich der ehemalige Außenminister mit einer Anekdote von Ariel Sharon, der zu ihm gesagt habe: "Israel hat keine Ostgrenze."

In letzter Zeit habe sich die Hoffnung auf eine Einigung sogar noch verschlechtert. Die weltlichen Akteure, wie die Al Fatah, hätten an Bedeutung verloren und in der ganzen Region gewännen radikale religiöse Kräfte an Macht, wie die Hamas im Gaza-Streifen. Diese Stärkung des Einflusses von radikalen Kräften behindere den Frieden. Vor allem die Jugend im Gaza-Streifen, die beinahe 50 Prozent dort ausmache, sei auf Grund ihrer Perspektivlosigkeit stark anfällig für solche radikalen Ideologien.

Das gesamte regionale Umfeld, zum Beispiel der Iran oder auch Ägypten, orientierten sich immer mehr in Richtung Radikalisierung. Dieser Druck mache einen Kompromiss immer schwieriger. Fischers Realismus schlug sogar fast in Pessimismus um, als er erwog das Fragezeichen im Titel zu entfernen.

Die Hamas
Laut dem Grünen-Politiker war die Wahl der Hamas ein wesentlicher Rückschritt in der Entwicklung des Nahen Osten. Mit dieser Organisation sei kein echter Frieden möglich, da sie noch nicht mal das Existenzrecht Israels anerkenne. Die Fatah habe versagt und die radikalen Kräfte hätten die Situation ausgenutzt, um sich durch karikatives Engagement bei den Armen, ihrem politischen Aufstieg näher zu bringen. Als dies gelang, spitzte sich die Situation zu.

Rolle der USA
Ohne die Vereinigten Staaten von Amerika sei es nahezu unmöglich, Frieden zu schaffen. Europa bleibe bei Verhandlungen fast immer nur der Griff zum Telefon, um die USA anzurufen. „Frieden ohne Macht funktioniert nicht“, so brachte Fischer die Situation auf den Punkt. Diese Macht habe aber nur noch Amerika.

Rolle des Irans und Syriens
Schnell machte Fischer klar, dass seiner Meinung nach die Problematik im Nahen Osten nicht auf Israel und Palästina begrenzt werden dürfe. Der Krieg werde nicht umsonst zweiter iranisch-israelischer Krieg genannt (Anm.: Der erste war der Krieg Israels mit der Hisbollah im Libanon). Ein möglicher Frieden müsse immer diese beiden Akteure mit einbeziehen, andernfalls sei er nicht von langer Dauer. Es müssten die regionalen Parameter mit einbezogen werden (Nuklearprogramm, Atomverzicht und Rolle des Irans in der Region).

Beide Länder seien große Destabilisatoren der Region. Der Irak stehe dank „Genius Bush“ momentan auch unter großen Einfluss von Mahmud Ahmadinedschad. Fände man Lösungen mit diesen beiden Ländern über einen Frieden, gäbe es noch Hoffnung.

Allerdings seien solche Verhandlungen äußerst schwierig. Diese Regime hätten einzig und allein ein Interesse daran, ihre eigene Macht zu erhalten. Somit müsse man ihnen einen Frieden im Nahen Osten mit Vorteilen für sie verkaufen. Dabei gäbe es oft Konflikte von Frieden mit Gerechtigkeit und Wahrheit. Man müsse öfter mal „die Klappe halten“. Fischer habe für sich persönlich entschieden, dem Frieden bei solchen moralischen Konflikten den Vorrang zu geben. Scheiterten diese Verhandlungen und der Iran und Syrien würden nicht einbezogen, könne dies „fatale Folgen“ haben.

Hoffnung Obama
"Momentan richtet sich alle Hoffnung auf den noch nicht angetretenen US-Präsidenten Barack Obama", bestätigte auch der Minister a.D. In ihn seien „Heilserwartungen“ gesetzt. Allerdings sieht auch Fischer ohne Obama keine wirklich Möglichkeit erfolgreich Frieden zu schaffen. Er hoffe jedoch, dass schon vor dessen Amtsantritt ein Waffenstillstand zu Stande kommt. Trotz aller Hindernisse gäbe es Hoffnung durch das amerikanische Duo Obama/Clinton. Durch kriegerische Mittel gäbe es aber keine Aussicht auf eine politische Lösung.

Angela Merkels Position zu Israel
Er teilt weitgehend die Position der Bundesregierung. Deutschland habe auf Grund seiner Vergangenheit eine Verpflichtung gegenüber dem Existenzrecht Israels. Die Hamas trage eine schwere Schuld am Kriegsausbruch.

4 Kommentare:

Florian D hat gesagt…

"...da beide keine Bereitschaft zeigten, das Territorium zu teilen."
Ich glaube nicht, dass Israel hier das Problem ist. Israel zeigt vielleicht keine Bereitschaft, das Territorium Terroristen zu überlassen; aber es ist ja nicht gerade so, dass sie Palästina von der Landkarte tilgen wollen oder so.
Ansonsten hat Fischer, denke ich, recht.

politischer hofnarr 2 hat gesagt…

@ Florian D: Naja die Siedlungspolitik der Israelis in den, eigentlich autonomen, Bezirken der Israelis spricht aber schon so eine Sprache.

Anonym hat gesagt…

Schade, dass das Foto nicht von gestern Abend ist...

politischer hofnarr 2 hat gesagt…

@Anonym: Ja das tut uns leid. Aber leider war alles total überfüllt und ich bin noch nicht einmal in den Vorlesungssaal gekommen, sondern habe alles live per Beamer im Foyer beobachtet. Zumal mein Fotoapparat zu Hause liegen geblieben ist.:-P

Nächstes Mal gibt es Live-Fotos.;)