Dienstag, 30. September 2008

Mögliche Koalitionen in Bayern

Am Sonntag wählten die Bayern einen neuen Landtag. Die CSU verlor ihre absolute Mehrheit und nun muss zum ersten Mal seit 40 Jahren eine Koalition in Bayern gefunden werden. Hofnarr hat die möglichen Koalitionen auf ihre Wahrscheinlichkeit überprüft.


CSU und FPD
Pro: Guido Westerwelle signalisierte bereits, dass die Bundespartei diese Koalition voll unterstützen würde. Auch die CSU zeigte, dass sie primär Gespräche mit der FDP und den Freien Wählern aufnehmen will. Die potentiellen Ministerposten für die FDP werden auch bereits munter verteilt. Neben FDP-Spitzenkandidat Martin Zeil, der sein Interesse für das Wirtschafts- oder Finanzressort angemeldet hat, gilt vor allem der Passauer Bundestagsabgeordnete Max Stadler, ein Innen- und Rechtsexperte, als Kandidat für einen Kabinettsposten. Die Bundes-FDP freut sich momentan vor allem über ihren gestiegenen Einfluss im Bundesrat, zuvor hatten sie aus Bayern dort keinerlei Abgeordnete.

Contra: Das sehr stark eingerostete Verwaltungs- und Regierungssystem der CSU ist nach 40 Jahren schwer zu durchdringen für neue Politiker anderer Parteien. Liberale Ansätze könnten vor allem auf der kleinen Verwaltungsebene auf Protest stoßen. Zudem verlangt die FDP-Fraktion einen „Kassensturz“ in den Bayerischen Finanzen. Dies könnte für die CSU unangenehm werden. Wer weiß, welche Leichen sie seit 40 Jahren verstecken.

Knackpunkt: Der größte Streitpunkt in den Koalitionsverhandlungen dürfte die Innenpolitik werden. Die FDP fordert eine Rücknahme von Online-Durchsuchungen und ein bürgerfreundlicheres Versammlungsrecht. Die CSU dagegen pocht auf die Notwendigkeit dieser „Sicherheits“-Maßnahmen. Außerdem wollen die Liberalen die "mittelstandsfeindliche Erbschaftsteuer nicht Realität werden" lassen.
Hingesehen meint: zu 70 % wahrscheinlich

CSU und Freie Wähler
Pro: Der Kern der Freien Wähler stammt ursprünglich aus dem Umfeld der CSU. Ideologisch liegen sie noch immer nah beieinander. Lediglich bei gewissen lokalen Projekten ging die Meinung auseinander. Mit über zehn Prozent der Stimmen könnten die freien Wähler durchaus einen gewissen Einfluss in der Landspolitik geltend machen. Landesvorsitzender Hubert Aiwanger signalisierte bereits den Wunsch nach Verhandlungen mit der CSU. Auch die christliche Union könnte von einem Bündnis profitieren. 40 % der Bürgermeister in Bayern stellen nämlich die freien Wähler und vielleicht kann die CSU in einer Koalition auf diese wieder mehr Einfluss nehmen.

Contra: Im Wahlkampf griff die Überraschungspartei massiv die Regierungspartei an und ließ kein gutes Haar an Beckstein und Huber. Wegen des hitzigen Wahlkampfs könnten diese Verbalattacken jetzt das Bündnis behindern. Bisher engagierten sich die Freien Wähler nur in der Lokalpolitik. Landespolitisch sind sie absolut unerfahren. Ihre bisherige lokale Ausrichtung müssten sie überarbeiten.

Knackpunkt: Gabriele Pauli, die einen hohen Einfluss bei den freien Wählern besitzt. Die Stoiber-Putscherin ist der CSU ein Dorn im Auge. Sie würde in einer Koalition sicher einen guten Posten für sich in Anspruch nehmen. Ob Seehofer/Beckstein sich mit dem Gedanken, mit dieser Frau zusammen zu arbeiten, anfreunden können, ist fraglich.
Hingesehen meint: zu 40 % wahrscheinlich

CSU und SPD:
Pro: Franz Maget erklärte eine große Koalition in Bayern für möglich. Beide Parteien hätten zusammen eine große Mehrheit.

Contra: Beckstein will zuerst mit FDP und FW reden. Die große Koalition ist nur zweite Wahl. In einer solchen Konstellation müsste die CSU aufgrund der Mehrstimmen der SPD im Vergleich mit FDP und FW mehr Ministerposten abtreten. Die Programme der beiden Parteien liegen außerdem sehr weit auseinander.

Knackpunkt: Inhaltlich die Reform der Erbschaftssteuer. Ideologisch zudem in Bayern kaum vorstellbar.
Hingesehen meint: zu 5 % wahrscheinlich


SPD, Grüne, FW und FPD

Pro: Alle vier bisherigen Oppositionsparteien würden jetzt die CSU in eine Oppositionspartei verwandeln. Alle Parteien könnten einen größeren Einfluss geltend machen, als in einem Bündnis mit der CSU. Der unliebsame Günther Beckstein würde nicht Ministerpräsident und Franz Maget würde dessen Nachfolger. Das schmeckte einigen Politikern dieser Parteien sicherlich besser.

Contra: FW und FDP liegen inhaltlich näher an der CSU als an Grünen und SPD. Außerdem beginnt traditionell die stärkste Fraktion mit Koalitionsgesprächen und das ist nicht die SPD. Nur wenn Verhandlungen der Union scheitern könnten FDP und FW auf Verhandlungen eingehen. Vier Parteien in einer Koalition würden sicherlich nicht leicht zu einstimmigen Entscheidungen kommen und mit einer so großen geschlossen Opposition gegen sich dürfte das Regieren zur Qual werden. Koaltionsabschlüsse mit einer Partei sind schwierig – mit dreien fast unmöglich.

Knackpunkt: CSU ist stärkste Fraktion, dazu kommen inhaltliche Differenzen der Parteien.
Hingesehen meint: zu 1 % wahrscheinlich

Montag, 29. September 2008

Bayernwahl: CSU-Kandidaten "abgestraft und hingerichtet" (Pressestimmen)

Hingesehen hat für Sie die wichtigsten Reaktionen der bayrischen und nationalen Presse zusammengefasst. Die Meinungen sind teils so drastisch ausgefallen wie die verheerenden Verluste der CSU, für andere stellt das Wahlergebnis lediglich ein "Stück demokratischer Normalität" (Stern) dar.


  • "Ein einzigartiges Debakel, ein steiler Sturz aus den lichten bayerischen Alpenhöhen in den tristen Krisenalltag der deutschen Volksparteien. (…) Zerschmettert ist ihr Nimbus [der CSU, Anm. d. Aut.] der Unbesiegbarkeit, hinweggefegt ihre Sonderstellung in der deutschen Parteienlandschaft – die absolute Dominanz im Freistaat und die Symbiose mit dem Bayerntum, die so lange das Geheimnis ihres Erfolgs war." (Zeit Online)

  • „Abgestraft und hingerichtet: Die Wähler haben Erwin Huber und Günther Beckstein einen Kopf kürzer gemacht. Doch die Hingerichteten wollen sich noch nicht begraben lassen.“ (Focus Online)

  • „Eine Zeitenwende. Ein Erdbeben. Das Ende einer jahrzehntelangen Epoche. Die Wahl in Bayern hat ein Ergebnis gebracht, mit dem so massiv niemand gerechnet hätte – am wenigsten die Regierungspartei selbst: Die CSU stürzt ab. Sie erleidet erdrutschartige Verluste, ihre absolute Mehrheit ist gebrochen. Rücktritte stehen deutlich sichtbar im Raum.“ (Münchener Abendzeitung)

  • „In Bayern hat eine neue politische Zeitrechnung begonnen. (…) Der gängigste Spruch in den Bierzelten lautete: ‚Zwei Maß gehen immer. Sagt auch der Beckstein!’ (…) Es bedeutet, dass diese Partei nicht mehr ernst genommen wird. Dass sie kein Thema hatte, das bei ihren Wählern ankommt. Und dass ihre Repräsentanten nicht als charismatisch gelten, sondern als Witzfiguren. Einer solchen Partei gibt man keine absolute Mehrheit. (…) Die Politik in Bayern wird spannender.“ (Kommentar des Chefredakteurs der AZ)

  • „Es ist das Ende des alpenländischen Absolutismus, das Ende einer Ära. (…) Der Wähler hat den Regenten mit seiner Stimmabgabe diesmal vor allem eines gezeigt: dass er mehr nachdenkt, als ihm die Dauer-Sieger gemeinhin zutrauten.“ (Spiegel Online)

  • „Bayern steht Kopf: Die CSU erleidet bei der Landtagswahl erdrutschartige Verluste. (…) Der stellvertretende CSU-Chef Horst Seehofer hat Konsequenzen aus dem Wahldebakel gefordert. Angesichts des Ergebnisses sei klar, dass es nicht einfach so weiter gehen könne, sagte er.“ (ZDF)

  • „Das Erbe Stoibers, der ohne Rücksicht auf Verluste regiert hat, konnte die CSU nicht schultern. (…) Ein lobenswertes Stück demokratischer Normalität.“ (Stern)

  • „Es ist ein historisches Fiasko für die CSU“ (taz online)

  • „Die Doppelspitze Beckstein/Huber erlebte nur ein Jahr nach der Absetzung Stoibers ihr Waterloo. (…) Beckstein und Huber füllten Stoibers Fußstapfen nicht aus und mussten doch die schwere Last seiner am Ende kaum noch zu bändigenden, aber gar nicht mehr populären Reformwut tragen.“ (FAZ online)

Sonntag, 28. September 2008

Bayernwahl: CSU "krachend abgewählt"

Hingesehen hat für Sie die wichtigsten Reaktionen der Politiker auf die Ergebnisse der Landtagswahl in Bayern zusammengefasst.

Ministerpräsident Günther Beckstein in München: „Die Menschen wollen keine Alleinregierung mehr.“

Landwirtschaftsminister Horst Seehofer in Ingolstadt: „Ich stehe für eine Koalitionsregierung zur Verfügung.“ Er nannte die Wahl zudem eine „Katastrophe“ und fügte hinzu: „Wir müssen in den nächsten Tagen ehrlich und offen über das Wahlergebnis reden.“

CSU-Parteivorsitzender Erwin Huber gegenüber der ARD: „Ich beschönige gar nichts.“ Eine„ schonungslose“ Analyse würde folgen: „Es ist ein schmerzlicher und schwieriger Tag für die CSU.“

CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer: "Ein schwarzer Tag für die CSU. Die Wähler wollen nicht, dass die CSU alleine regiert.“

CSU-Landtagsfraktionsvorsitzender Georg Schmid gestand im ZDF, dass die Partei ihr selbst gesetztes Ziel „bei weitem nicht erreicht“ habe.

SPD-Spitzenkandidat Franz Magat nannte das Ergebnis ein „Erdbeben“ für die CSU. „Es gibt jetzt die Chance, eine Regierung ohne die CSU zu bilden“, sagte Maget im ZDF. „Das hätte noch vor einem halben Jahr niemand für möglich gehalten.“

CDU Generalsekretär Ronald Pofalla warb für eine Koalition der Mitte mit FDP oder Freie Wähler. Die SPD habe nicht von ihrem Führungswechsel profitieren können. "Der Steinmeier-Faktor ist ausgeblieben", stichelte er mit Blick auf den SPD-Kanzlerkandidaten.

Grünen-Chefin Claudia Roth fand deutliche Worte: Bayern habe "bunt gewählt und die CSU krachend abgewählt", sagte Roth am Sonntagabend in der ARD. Nun bleibe zu hoffen, dass die neuen Mehrheiten auch zu einer neuen Politik führten.

FDP-Vorsitzender Guido Westerwelle zeigte sich zufrieden: "Wir haben noch niemals mit einem so tollen Ergebnis in Bayern abgeschnitten."

Weitere Artikel:
Frankfurter Allgemeine
ARD

Eine ausführliche Zusammenstellung der Pressestimmen finden Sie morgen auf dieser Seite!

Freitag, 26. September 2008

Durch die Parteien: Blau für Violett

Update: Laut der offiziellen Partei-Homepage erreichten "Die Violetten" bei den Landtagswahlen in Bayern, wo sie in Mittelfranken sowie Nieder- und Oberbayern zur Wahl standen, 0,1% der Stimmen (6.097 Erst- und 9.333 Zweitstimmen). Hinweis vom 29.9.08

Ein schöner Nebeneffekt des Mehr-Parteien-Systems in einer Demokratie sind die vielen kleinen, dafür aber umso skurrileren politischen Gruppen. Für diese ist die Fünf-Prozent-Hürde etwa mit einer absoluten Mehrheit der FDP auf Bundesebene zu vergleichen – praktisch unerreichbar. Auf dem Boden dieser Perspektivlosigkeit blühen dann fantastische Träume, befreit von dem Zwang irgendwelchen Realisierungsplänen zu unterliegen. „Die Violetten – Partei für spirituelle Politik“ bilden dabei keine Ausnahme.



An Identifikationsmerkmalen mangelt es der Randerscheinung nicht. Sogar ein Wappentier wurde gefunden: Ein Schmetterling, Zeichen der Metamorphose und des Wandels. Einfluss auf politische Veränderungen wird die Partei dennoch nicht haben. Trotzdem denkt wohl nur ein Schelm, dass mit dem Wandel etwa die eigene Position gemeint ist, die sich wie das Fähnchen im Winde stetig ändert! Die Entscheidung für die Farbe Violett beruht übrigens keineswegs auf Zufall, wie die Vorsitzende auf Landes- und Bundesebene betont. Und die heißt ausgerechnet – Blau, Gudula Blau! Ihre Begründung für die Wahl der Couleur vermag jedoch höchstens die Esoteriker unter den Wählern zu beeinflussen: „Violett ist die Farbe mit der höchsten Schwingung“, gibt Blau in einem TV-Interview mit dem Bayrischen Rundfunk kund, dem „TV Total“ unter der Woche zu größerer Aufmerksamkeit verhalf (siehe Video).

Grundeinkommen ein Leben lang

Mit wenig Schwung kommt dagegen der bemerkenswert ruhige Werbespot zu den Landtagswahlen daher. Aber mit Parolen wie „Liebe statt Macht“ tut sich die Partei selbst unrecht, denn ihre tatsächlichen Forderungen sind viel tiefgreifender. Zentraler Punkt dabei: Ein Grundeinkommen für jeden Bürger. Vom ersten bis zum letzten Atemzug soll die Bevölkerung nach dem Willen der Spirituellen ein Gehalt bekommen. Finanziert werden soll das durch den Wegfall von Strukturkosten im Bereich der Arbeitsvermittlung, das schließt die Gehälter der dann arbeitslosen Beamten und Angestellten ein. So konkret sagt Blau das im Interview übrigens nicht – eigentlich nennt sie nur die Einsparungen an den Mitarbeitern. Diese adaptierte Idee mag als Theorie vielleicht vollwertig und interessant sein. Doch dass gerade die schrulligen Violetten sie gekonnt umsetzen könnten, ist unvorstellbar.

Spreeblick sieht das im TV vorgestellte Projekt von einer anderen Warte aus und kritisiert den nicht gerade als Politik-Experten bekannten Raab. Dort wird (in relativierender Weise) auch das Problem aufgegriffen, dass durch ein Grundeinkommen unangenehme Arbeiten höchstwahrscheinlich unbesetzt bleiben würden. Die Vorsitzende Blau will das in unübertrefflicher Gutgläubigkeit an die Menschen aus der Welt schaffen: „Der Wille zum Dienen ist ein ganz wichtiger Aspekt, den jeder Politiker in sich tragen muss“.

Dabei bekennt sich die 2001 gegründete Partei im Übrigen zu keiner Religion, sondern nur zum „Göttlichen“ an sich. Weitere Ziele von Blau und Co. sind eine direktere Demokratie durch mehr Volksentscheide sowie größeres Engagement in der Umweltpolitik. Bei den Violetten nennt sich das „verantwortungsvoller Umgang mit der Erde“. Der Hofnarr meint: Das klingt doch auch fast so schön wie das simple „für eine bessere Welt“… Halten wir es zum Schluss also wie Stefan Raab in der Abmoderation: Mal schauen, wie viele Prozentpunkte die Violetten am Sonntag bei der Bayernwahl erhalten werden…

„Stehen nicht in ganz Bayern zur Wahl“: Mainpost

Donnerstag, 25. September 2008

Durch die Parteien: Rechter Wahlkampf in Bayern

UPDATE:
Beste Wahlkreise der Rechten am 28.9:
Die REP erhielt in Unterfranken 1,9 % der Stimmen.
Die NPD erhielt in Oberfranken 1,7 % der Stimmen.

Bei den bayrischen Landtagswahlen treten (neben üblichen parteilichen Vertretern) erneut auch rechtsextreme Kandidaten zur Wahl an. Die beiden bekanntesten Parteien sind wohl die Republikaner, die nur in Teilen von Bayern zu wählen sind, und die NPD, die sogar im ganzen Bundesland antritt. Man sollte man doch meinen, dass beide Parteien aufgrund ihrer gleichen politischen Grundausrichtung gut miteinander auskommen. Vor einigen Jahren liebäugelten die beiden Parteien sogar mit einem Wahlbündnis (zusammen mit der DVU), um sich nicht mehr gegenseitig Stimmen rechtsextremistischer Wähler zu klauen.


Wahlkampfwerbespot der Republikaner.

Doch mitten im bayerischen Wahlkampf sorgte ein Zwischenfall für Aufruhr. Johann Gärtner, Landtagsvorsitzender der Republikaner in Bayern, wurde, laut einer Pressemitteilung der Partei auf seinem Grundstück in Kissing von einem NPD-Plakatiertrupp angegriffen. Die NPD-Anhänger hätten versucht auf seinem Grundstück Wahlplakate anzubringen. Als der Republikaner sie zur Rede stellte, hätten die NPDler ihn mit einer Leiter niedergeschlagen. Der 58-jährige Politiker musste danach angeblich ins Krankenhaus. Es laufen Ermittlungen gegen zwei junge Männer mit ostdeutschem Akzent.

Mittlerweile sind Meldungen (vor allem der NPD) aufgetaucht die Gärtner als Lügner denunzieren. Der Vorfall sei in Wirklichkeit bereits am 9. September passiert und nicht erst am 23. September. Ein tätlicher Angriff hätte so auch nicht stattgefunden. Wem von beiden man Glauben schenken kann, ist unklar. Der Hofnarr glaubt keinem von beiden.

Offenbar sind sich die beiden Parteien also nicht ganz so grün, wie man eigentlich vermuten könnte. Die Schlägertrupps der NPD, die in letzter Zeit den Begriff „Wahlkampf“ oft ein wenig zu wörtlich nahmen, stoßen den Republikanern wohl übel auf. Die Partei möchte sich seit einiger Zeit von der NPD abgrenzen und da kommt ein solcher Angriff von „wüsten Prügelnazis“ gerade recht. Man selbst sieht sich eher als konservativ und nicht als rechtsextrem. Mit dem Finger auf die NPD zeigend versuchen die Republikaner Stimmen von konservativen Wählern zu ergattern, denen die NPD zu radikal ist.

So versucht Gärtner seine Partei in die Opferrolle zu rücken. Auf der Homepage erinnert man an angebliche Wahlbetruge zu Ungunsten der Partei bei vorangegangen Wahlen und präsentiert sich demokratisch. Auch der Wahlkampf der Republikaner soll behindert worden sein: Plakate seien abgerissen und mediale Hetze betrieben worden.

Doch woher kommen die plötzliche Bekenntnis zur Verfassung und die Abwendung von der rechtsextremen NPD?

Noch 2007 wollten die Republikaner „Deutschland umstürzen“. Momentan liegen dem Verfassungsschutz, laut taz, keine Berichte mehr über verfassungswidriges Verhalten der Republikaner vor.

Die Wandlung der Republikaner begann in den 90er-Jahren. Nach einigen Wahlerfolgen explodierte die Mitgliederzahl. Es entstanden einige innerparteiliche Konflikte, besonders in Bezug auf den Umgang mit der NPD. Durch die Weigerung des Bundesparteivorsitzenden Rolf Schlierer 2004 in den "Deutschlandpakt" (NPD und DVU) einzutreten entstanden weitere Konflikte mit Mitgliedern, die den Eintritt in den Pakt forderten. Viele hochrangige Parteifunktionäre verließen daraufhin die Partei.

Diesen Weg der Abgrenzung und Mäßigung versucht Schlierer mit Gärtner anscheinend im Bayernwahlkampf fortzusetzen. Vielleicht hoffen die die beiden sogar auf Dauer ein Koalitionspartner für die Volksparteien zu werden. Dies ist sicherlich noch utopisch, vor allem da alle rechtsextremen Parteien zusammen in Umfragen gerade mal auf vier Prozentpunkte kommen. Außerdem ist es fragwürdig, ob Parteien sich mit einer solchen Partei einlassen wollen. Trotz neuer gemäßigter Politik vertreten sie noch eine extreme rechte Position, die für CSU, SPD, FDP und erst recht die Grünen nicht akzeptierbar ist. Eine Koalition würde wohl ein Vielfaches des Aufruhrs in Hessen auslösen - und das zurecht.

Wirklich klar beurteilen kann man die Position der Republikaner nicht. Ist das Abgrenzen gegenüber der NPD nur Mittel zum Zweck im Wahlkampf oder wirklicher Wandel? Der Hofnarr vermutet eher Ersteres, denn die Stimmen am rechten Rand greift überwiegend die NPD ab und so versuchen Schlierer, Schönhuber und Co. Stimmen der Mitte zu bekommen.

Für die Demokratie ist ein Konflikt der beiden rechten Parteien nur förderlich. Nun klauen sich Republikaner und NPD gegenseitig Stimmen. Ein Einzug einer rechtsextremen Partei in den Landtag rückt glücklicherweise in weite Ferne. Der rechte Rand der deutschen Parteinszene hat momentan anscheinend genug mit sich selbst zu tun.


Andere Blog-Einträge zu dem Thema:
NPD-Wahlkampf
NPD-Blog
Älterer Beitrag auf Spreeblick
Anti-Islamisierungskongress in Köln, wo es auch einen interessanten Vorfall mit der rechten Szene gab.

Dienstag, 23. September 2008

Durch die Parteien: Linker Wahlkampf in Bayern

UPDATE:
Wahlergebniss der Linken in Bayern am 28.9:
4,3 Prozent der Stimmen; kein Einzug in den Landtag

Am kommenden Sonntag ist es soweit. Im Freistaat Bayern stehen die Landtagswahlen an. Um den Einzug in den Landtag kämpft die Fraktion „Die Linke“. Mit linken Parolen zu Mindestlohn und Mitarbeiterbeteiligung findet man in Bayern jedoch bisher wenig Gehör. In aktuellen Forsa-Umfragen liegt die Partei um Spitzenkandidat Fritz Schmalzbauer bei nur vier Prozentpunkten. Nötig für einen Einzug in den Münchner Landtag wären allerdings derer fünf. Nach neuesten Ergebnissen kratzt die Linke nun an dieser Marke.


Doch wie man die Genossen Gysi, Lafontaine und Co. kennt, sind sie bis zum Schluss siegessicher. Schmalzbauer glaubt an seine Chance. Auch wenn der CSU der Wahlsieg nicht mehr zu nehmen sein wird, könnte der Landtagseinzug der Linken Beckstein und Huber ihr angepeiltes Wahlziel von „50 plus x“ zerstören und die CSU in eine Koalition zwingen. Natürlich nicht in einer Koalition mit der Linkspartei, jedoch beispielsweise mit der FDP. Ein Ende der CSU-Alleinherrschaft wäre aus demokratischer Sicht wünschenswert. Dreiste Maßnahmen, wie das neue Versammlungsgesetz (anderes Beispiel auf Spiegelfechter: Vorfall Piratenpartei) wären in einer Koalition mit einer anderen Partei undenkbar gewesen.

Die breite bayrische Masse meidet offenbar Wahlkampfstände der Linken, doch in den unteren Schichten der Freistaatsgesellschaft findet das sozialistische Programm durchaus Anklang. Menschen mit geringem Einkommen lassen sich leicht von utopischen Parolen wie Mindestlohn und Mitarbeiterbeteiligung begeistern.

Bayern und Sozialismus beißen sich

Überhaupt passen die führenden Bundespolitiker der Linken, Gregor Gysi und Oskar Lafontaine, nicht zum konservativen Bayern. Der bekennende Atheist Gysi trifft in Bayern auf gefestigte konservative Gläubige. Den Dialog und die Diskussion scheut der Berliner Rechtsanwalt auf keinen Fall. So beteilgte er sich an einer Debatte über den Sozialismus an der erzkonservativen Universität in Eichstätt. Doch Mut reicht nicht aus, um die Bayern für sich zu gewinnen. Die Mehrheit der Bayern kann mit den Ansichten des Sozialisten nichts anfangen.

Selbst im Biergarten (Foto:Spiegel)wirken die beiden fehl am Platze. Es wird zwar Bier getrunken, wirklich leerer wird das Glas im Laufe der Veranstaltung aber nicht. Wer in Bayern mehr als fünf Prozent der Stimmen erhalten möchte, darf sein Bier nicht stehen lassen. Sowas entfremdet den Wähler.

"Es ist für uns in allen Ländern nicht einfach, in die Landtage einzuziehen. In Bayern ist es für die Linkspartei aber am schwierigsten", räumte Gregor Gysi gegenüber der "Süddeutschen" ein.

Mehr Staat, weniger Privat

Ein wichtiger Wahlkampfpunkt der PDS-Nachfolger ist „der Erhalt und eine Ausweitung öffentlichen Eigentums, um eine gestaltende Wirtschaftspolitik im Interesse des Gemeinwohls zu ermöglichen“. Dieser Punkt erinnert stark an eine vom Staat gelenkte Planwirtschaft. Die Rolle des Staates in der Wirtschaft soll ausgebaut werden und Privatisierung gestoppt werden. Zwar nennen die Linken das Kind nicht beim Namen, doch lässt sich eine gegen die freie Marktwirtschaft gerichtete Politik klar aus dem Parteiprogramm herauslesen.

Überhaupt möchte die Linke überall mehr Geld reinstecken und investieren: Pendlerpauschale, Wohnungsförderungen, Direkthilfen, Ausbau der Infrastruktur, kostenlose Mahlzeiten in Schulen und Kindergärten, Städtebauförderung, Ausbildungseinrichtungen, Beschäftigungsinitiativen und vieles mehr. Woher dieses Geld kommen soll, erwähnen sie leider nicht. Brauchen sie ja auch nicht, an die Regierung, also zur Umsetzung ihres Programms, kommt es sowieso nicht. Deswegen kann man sich in schön klingenden, aber utopischen und populistischen Versprechungen baden. Und wer weiß, vielleicht lassen sich ja fünf Prozent der Wähler vom Populismus einnebeln und wählen die SED-Nachfolge.


Quelle: Die Linke

Weitere Artikel:
Sueddeutsche
Spiegel

Cartoons: Zweiter Beitrag

Einige Wochen ist es nun schon her, dass wir den ersten Cartoon der Werder-Forumsuserin "hasenbommel" hier präsentieren konnten. Jetzt ist der zweite Beitrag eingegangen, der wiederum gekonnte Zeichnungen mit pointiertem Witz verbindet und so das aktuelle Sportgeschehen aufbereitet.

Vorab zum besseren Verständnis: Die hier gezeigte Szenerie zeigt Schwedens Auswahltrainer Lars Lagerbäck, der mit seinem Team in der WM-Qualifikation unter anderem auf Nachbarland Dänemark trifft. Bereits bei den Ausscheidungsspielen zur EM 08 begegneten sich die Mannschaften. Beim Spiel in Dänemark führten die Gastgeber bis zu einem Schlag vom ehemaligen Schalker Christian Poulsen (jetzt Juventus Turin) gegen Werders Markus Rosenberg, das zu Ausschreitungen und einer Wertung des Spiels mit 2:0 für Schweden führte...

Samstag, 20. September 2008

Durch die Parteien: Ein Tabubruch bei den Grauen Panthern?

Beim Streifzug durch den Parteidschungel fiel den Hofnarren ein Plakat der „Grauen Panther“ auf. Obwohl kaum bekannt, sorgt es beim Betrachter sicher für Aufsehen: Liebevoll umarmt sich dort ein Paar im fortgeschrittenen Alter. Zufrieden sehen die beiden Rentner zwar aus. Doch zusammen mit dem provokativ gemeinten Slogan „Poppen für ’ne sichere Rente?“ kommt diese Kampagne einem Tabubruch in der politischen Landschaft Deutschlands gleich. Fernab von „political correctness“ sollen hier Wählerstimmen gesammelt werden.


Hinter den fünf im Bundestag vertretenen Fraktionen nimmt die „Generationspartei“ (so nennt sie sich per Namenszusatz seit der Neugründung im März dieses Jahres) den sechsten Listenplatz ein. Dieser bestimmt bei den Bundestagswahlen mit, wie viele Kandidaten einer Partei als gewählt gelten und ins Parlament einziehen. Das hat in diesem Fall allerdings nur theoretische Bedeutung. In der medialen Berichterstattung steht zudem noch die NPD durch ihre unterschiedliche Ideologie gegenüber den Grauen im Vordergrund. Das radikale Gedankengut der Rechten ist gerade vor dem Hintergrund der „deutschen Geschichte“ wesentlich gefährlicher und daher auch interessanter als die moderaten Ansichten der Panther. Daher wohl nun der Griff zu drastischeren Maßnahmen für mehr Beachtung bei den Wählern: Aufmerksamkeit ist alles in der Medienlandschaft und im Wahlkampf, Inhalte geraten in den Hintergrund. Der gewählte Sprachstil und die Augenkrebs erregende Farbkombination aus Pink, Beige und Schwarz untermalen das gewählte Motiv passend. Sex sells – auch in der Politik. Aber auch bei den Alten?

Eine Koalitionsbildung mit den Grauen?


Die Attribute, die die Politik der Panther laut Plakat charakterisieren sollen, überraschen: „Jung, dynamisch, frech und mutig und vor allem: Ehrlich und neutral“, beschreiben sich die Politiker gleich mit einer ganzen Palette von Eigenschaften. Wer denkt, das wäre viel, dem sei ein Blick ins Parteiprogramm empfohlen, dem nicht weniger als 51 (!) „Tugenden“ vorangestellt sind. Ob das für große Identifikation oder doch eher Verwirrung sorgt, sei mal dahingestellt. „Weg vom erzkonservativem Image“ – das scheint einem das Poster geradezu entgegen zu schreien. Die Eigenschaften der Jugend sollen in Einklang mit den Interessen der Älteren gebracht werden. Ein interessanter Ansatz, doch was ausgerechnet die im Plakat aufgeführte Neutralität in der Politik zu suchen hat, bleibt rätselhaft, auch wenn man sich damit lediglich den Weg zu allen Koalitionen offen halten will [vgl. Parteiprogramm: „Sollten (…) demokratische Parteien gute soziale, menschliche Ideen zum Wohle unseres Landes (…) haben, kann sich jede dieser einzelnen Parteien der Unterstützung ihrer eigenen Ideen durch “DIE GRAUEN - Generationspartei” sicher sein.“]. Eine Partei, die nicht Partei ergreifen will? Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass eine Regierungsbildung mit den Grauen in weiter Ferne liegt, eine fragwürdige Einstellung. Parteien wollen schließlich gemeinhin mitbestimmen und nicht nur zuschauen, wie Entscheidungen getroffen werden.


Aber halt: Sind sinkende Renten die einzigen Inhalte der Grauen? Glaubt man dem Vorsitzenden Norbert Raeder (Foto links), ist dem nicht so. Dieser Prototyp eines seriösen Staatsmannes und die Hoffnung der deutschen Senioren gibt auf der Parteihomepage kund: „Ich setze auf alle Generationen“. Er setzt auf einen regen Austausch zwischen Jung und Alt, „die wilde Jugend gemeinschaftlich mit den erfahrenen Älteren“, wie er sagt.


Die tatsächlichen Forderungen sind trotzdem auf die eigentliche Zielgruppe fokussiert, das schwammige „bessere Ausbildung und Bildung“ klingt für junge Wähler wenig verlockend. Aber auch die anderen Punkte wie „würdevolles Leben im Alter“, auch in Wohnheimen und mit einer „Mindestrente von 1.250 Euro“, bleiben wenig konkret. Eine weitere Forderung ist die nach „Weitergabe von Wissen und Erfahrungen der älteren Generationen an die jüngeren Generationen“. Der Hofnarr meint: Wie wäre es da mit einem Mindestalter von 60 Jahren für Politiker? Wobei: Viel verändern würde das wohl auch nicht…


Die Grauen bleiben damit eine Partei, der das eigenständige Profil fehlt. Dieses wird auch 2008 mit der „Poppen?“-Kampagne nicht geschärft.


Quelle: Die Grauen bzw. ihre Plakatseite

Donnerstag, 18. September 2008

Durch die Parteien: Der Hofnarr bei der CDU

Unter dem Motto „Geteilt. Vereint. Gemeinsam. Perspektiven für den Osten Deutschlands“ hat die CDU auf den 20. Jahrestag der friedlichen Revolution in der DDR blickend einen Antrag zur Aufklärung des „SED-Unrechtsregimes“ verabschiedet. Auf dem kommenden Parteitag Anfang Dezember in Stuttgart soll dieser Antrag beschlossen werden. Im noch nicht voll ausgereiften Schriftstück wird vor allem auf den Schulunterricht und den Umgang mit der SED-Vergangenheit eingegangen.


Generalsekretär Ronald Pofalla forderte im Namen des CDU-Bundesvorstandes eine besondere Berücksichtung der SED-Republik in der Schule: „Nach dem Willen der CDU sollen die Geschichte der deutschen Teilung und der SED-Diktatur zum zentralen Inhalt des Schulunterrichts in ganz Deutschland werden.“

Doch soll auf keinen Fall „abstraktes Wissen“ vermittelt werden, sondern am besten live und direkt über Berichte von Zeitzeugen. Der politische Hofnarr fände ein Duo aus Gregor Gysi und Wolf Biermann als interessante und diskussionsanregende Quellen für die DDR-Historie in deutschen Schule aufschlussreich.

Außerdem soll an einer Berliner Universität „ein Lehrstuhl zur Erforschung und wissenschaftlichen Aufarbeitung des SED-Unrechtsregimes“ eingerichtet werden. Warum nicht einfach bisherige Geschichtslehrstühle stärker subventionieren und mit Projekten auf die DDR lenken. Gleich ein neuer Lehrstuhl scheint für ein so spezielles Thema ein wenig übertrieben.

Inwieweit - und ob überhaupt - das Unions-Aufklärungsprojekt in Zukunft deutsche Schüler und Lehrer wirklich beschäftigen wird, steht noch in den Sternen. Vor allem, weil dies ein Bundesbeschluss ist und Bildung eigentlich Ländersache ist. Bevor dieser Antrag, der formal nicht mehr als eine Anregung ist, den Weg ins Bundesparlament findet, muss er jedoch auf dem Parteitag der CDU beschlossen werden. Hat er die Hürden Parteitag, Bundestag und Bundesrat genommen, ist es immer noch fraglich, ob die Länder diesen Beschluss umsetzen.

Eine ganz andere Frage ist, ob dieses Projekt wirklich sinnvoll ist? Dieser Antrag legt den Verdacht nah, dass der bisherige Geschichtsunterricht dieses wichtige Thema deutscher Geschichte falsch oder zu gering betrachtet. Aus meiner eigenen Schulerfahrung kann ich diesen Vorwurf nicht bestätigen. Neben dem dritten Reich ist die Geschichte der deutschen Teilung zur Genüge behandelt worden.

War dieser Antrag der CDU also wirklich unabdingbar für unser deutsches Bildungssystem?


Es darf bezweifelt werden, ob dieser Antrag wirklich unbedingt nötig war. Sicher, Aufarbeitung, Kritik - und auch Verurteilungen - an der DDR machen sich in der Presse immer gut, aber steht es wirklich so schlecht um das geschichtliche Wissen der deutschen Jugend, dass solche Programme dem sonst doch nahezu perfekten deutschen Bildungssystem unbedingt eingeimpft werden müssen. Sicher, wöchentlich beweisen uns repräsentative Umfragen von „Explosiv“ und Co. das Unwissen des deutschen Durchschnittsmenschen. Doch hat da nicht anderes Vorrang? Oder haben wir über Nacht die Pole Position des Pisa-Rankings geholt und Arbeitslose sind zu Fachkräften mutiert?


Quelle: Pressemitteilung CDU.de

Dienstag, 16. September 2008

Dänemark: Grün für Europa?

Mit jeder Ampelphase in der belebten City von Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen rauschen bis zu 20 Fahrradfahrer am wartenden Fußgänger vorbei. Auf fast zwei Meter breiten Radstreifen wird es dem umweltbewussten Besucher leicht gemacht, Skandinaviens alte Metropole mobil zu erkunden. Hat man kein eigenes Fahrrad dabei, lässt sich das problemlos an einer der zahlreichen dafür eingerichteten Stationen mieten und an einer anderen wieder abstellen. Nun ja, zumindest beeilen sollte man sich schon, ansonsten besteht die Gefahr, bei dem großen Andrang leer auszugehen.


In diesem Punkte ist Deutschlands nördlichster Nachbar also durchaus auch Vorbild. Große Smoggefahr wie beispielsweise in London besteht in der Ostseestadt nicht. Zudem konnte Dänemark in den letzten 14 Jahren die Arbeitslosenquote geradezu sensationell von 12 % auf 3 % (damit spricht man von einer „Vollbeschäftigung“) senken, mit einer Arbeitsvermittlung unter dem Motto "Fördern und fordern" wie die ZEIT bereits 2004 ausführlich berichtete. Trotzdem stehen im Königreich nicht alle Zeichen auf Grün, insbesondere in puncto Europäische Union.


Denn nicht selten handeln sich die Dänen Sonderregelungen im europäischen Miteinander aus. So geschehen, als 1992 der Maastrichter Vertrag zunächst abgelehnt wurde. So geschehen bei der geplanten Einführung des Euro, die per Volksreferendum abgelehnt wurde (53 % sprachen sich dagegen aus). Bald soll jedoch ein neues Referendum ausgeführt werden. Für den Touristen macht sich dieser „Spezialfall Dänemark“ auch durch die mittlerweile ungewohnten Passkontrollen beim Grenzübergang bemerkbar. Das zeigt - ebenso wie die Parlamentswahl-Ergebnisse von 2005, bei denen die nationale Fraktion (Dansk Folkeparti) 13,3 % der Stimmen erhielt - die große nationale Identifikation im vergleichsweise kleinen Land. Das schwach besiedelte Grönland außen vor gelassen, umfasst das Königreich eine Fläche von etwa 43.000 km² - zum Vergleich: Deutschland ist mehr als achtmal so groß.


In Zeiten, in denen die EU immer weiter erweitert wird, stellt sich jedoch auch die Frage, ob dieser „dänische Weg“ der teilweisen Autonomie nicht erfolgsversprechender ist als die fortschreitende Verschmelzung Europas. Denn während die „Großen“ nach wie vor über Konjunkturprobleme klagen, zeigt die Kurve der Skandinavier zuletzt deutlich nach oben: Im weltweiten Vergleich des Bruttoinlandsprodukts pro Einwohner belegt Dänemark mittlerweile den siebten Platz (Stand 2007; Deutschland liegt auf Rang 19). Bei der "grünen Politik", dem Klimaschutz und den erneuerbaren Energien, könnte Dänemark ebenso eine führende Rolle einnehmen und dann heißt es für die Nachbarn ähnlich wie für den Touristen in Kopenhagen Beeilung, um nicht leer auszugehen.

Samstag, 13. September 2008

Seitenhieb: Beck, Steinmeier, Ypsilanti und Co.

Es war einmal eine große Volkspartei, die bei Bundestagswahlen unter Willy Brandt, Helmut Schmidt und auch Gerhard Schröder um 40 % der Stimmen sicher erhielt. Heutzutage würde sich die SPD bereits über 30 % Zustimmung unter den Wählern freuen. Momentan liegen die Sozialdemokraten bei 28 % (Forsa-Umfrage), nachdem die Auswechslung des Vorsitzenden einen kleinen umfragetechnischen Schub nach oben gab.



Der bärtige Pfälzer, Kurt Beck, ist von seinem Posten als Vorsitzender der SPD zurückgetreten. Diesen Platz konnte er trotz seiner idealen körperlichen Voraussetzungen nie ganz ausfüllen. Die Hauptproblematik seiner Partei, die Spaltung der Partei in einen rechten und linken Flügel auf Grund der neuen Herausforderung der SED-Nachfolgerpartei "Die Linke", konnte er nicht lösen. In Berlin ist eben alles ein wenig anders als in Mainz. Nicht nur der Karneval ist weniger populär, die Härte des Hauptstadtjournalismus und der Druck, der auf den Vorsitzenden dieser Partei ausgeübt wurde, war dem bärtigen Sozialdemokraten dann wohl doch zu viel. Da ist es in der schönen Pfalz doch viel ruhiger und entspannter. Dort sind es wenigstens noch zwei Jahre bis zur nächsten Wahl und die Bundestagswahl im nächsten Jahr kann er dann in Rheinland-Pfalz aussitzen. Seiner Unterstützung in den eigenen Reihen kann er sich sicher sein. Mit 99,5 % wurde er als Landesvorsitzender souverän bestätigt. In zwei Jahren dann kann er sich entspannt als Ministerpräsident wiederwählen lassen und falls seine Zeit als Bundes-SPD-Vorsitzender ihm den Wahlsieg versaut, sind eben die Medien schuld.

Wäre der Kurt Kanzlerkandidat geworden, hätte sich wohl nur die CDU gefreut. Jetzt muss Angela Merkel Frank-Walter Steinmeier entgegen treten. Der hat bereits Erfahrungen mit der Berliner Politik gesammelt und vor allem auch international als Außenminister. Zudem gehört der weißhaarige Ex-Kanzleramtsminister zum rechten Flügel der SPD und eine Koalition à la Ypsilanti ist mit ihm wohl auf Bundesebene ausgeschlossen.

Der neue, aber eigentlich alte, SPD-Chef wird Franz Müntefering, der aus der Frührente an den großen Tisch der Politik zurückkehrt, um die SPD wie einen Phoenix aus der Asche empor steigen zu lassen - zumindest hoffen dass die Sozialdemokraten. Auch er steht – ähnlich wie Steinmeier - für die Agenda 2010 der Schröderianer und blickt eher skeptisch auf die Frau in Heessen. Er flirtet lieber schon mit der FDP im Hinblick auf die Bundestagswahlen 2009. Eine Alternative zum Bündnis mit den Linken wäre das allemal.

Nach Hessen blickt er als Mann der Agenda mit Argwohn. Der bösen Frau Andrea Ypsilanti sind Wahlversprechen nämlich völlig egal, denn Hauptsache ist, sie darf an die Macht. Die nächsten Wahlen in Hessen sind ja erst in drei oder vier Jahren und bis dahin hat der dumme Wähler ihr Geschwätz von damals bestimmt wieder vergessen – zumindest hofft sie das.

Dienstag, 9. September 2008

Kommentar: Google - Die Wirtschaftsmacht

Am 7. September 1998 machte sich die Website zweier junger Studenten, Larry Page und Sergey Brin, auf ihren Weg an die Spitze des Internet: Google. Heute sind die beiden Gründer Milliardäre. Was als Suchmaschine begann, ist längst zu einer umfassenden Internetpräsenz angewachsen. Fast alles im Internet läuft über Programme und Webseiten des Unternehmens. Stetig entwickelte man bei Google neue Konzepte und integrierte neue Funktionen und Programme. Mittlerweile arbeiten im Hauptsitz in Silicon Valley/Kalifornien rund 13.700 Menschen. Neunzig Prozent alle Suchanfragen in Deutschland laufen über Google.



Der Schritt in die Gewinnzone gelang dem Unternehmen – anders als vielen Start-up-Unternehmen, die alle mit dem Platzen der New Economy-Blase zu Grunde gingen - bereits im Jahr 2000. Mit der Einführung von Werbung nach Stichwörtern bei Google schnellte der Gewinn explosionsartig nach oben. 2006 erzielte das Unternehmen einen Gewinn von 3,07 Milliarden US-Dollar. Spekulanten, die die Aktie von Google zu Börseneinführung im August 2004 zu einem Preis von 85 Dollar gekauft haben, können diese heute für 420,92 Dollar (Stand: 10. September) verkaufen. Damit würde man einen Gewinn von 335,92 Dollar pro Aktie erzielen. Zu einem früheren Zeitpunkt, als die Aktie gar die 500 Dollar-Marke überstiegen hatte, wäre der Gewinn noch höher ausgefallen. Das gesamte Unternehmen ist derzeit an der Börse rund 164 Milliarden Dollar wert.

Doch die Suchmaschine wird auch kritisiert. Google nehme im Zuge der wirtschaftlichen Expansion in China wissend Zensur in Kauf und verrate so sein Unternehmensmotto „Don't be evil“.

Neben der Suchmaschine ist Google unter anderem durch den Kauf des Videoportals youtube und der Einführung von Services wie Google Earth oder den Online Office-Anwendungen im Netz präsent. Diese Fast-Monopolstellung des Riesen bereitet Experten Sorgen: "Google beherrscht den Markt von Suchmaschinen, Geosoftware und sozialen Netzen immer stärker", sagt Max Mühlhäuser, Professor an der TU Darmstadt. "Nun kommt der Angriff auf die Browser, und der Angriff auf Betriebssysteme und Standardsoftware sowie Mobiltelefone ist schon quasi 'eingebaut'. Die Kartellbehörden sollten spätestens jetzt Googles Verhalten am Markt genauestens überwachen.“ (Hamburger Abendblatt)

Andere Software-Riesen wie Microsoft spüren die Gefahr und versuchen sich durch Unternehmensfusionen weiter behaupten zu können. Der von Microsoft initiierte Aufkauf von yahoo.com liegt mittlerweile allerdings auf Eis.

Samstag, 6. September 2008

Google Chrome: Zwischen Euphorie und Entsetzen

Lange wurde über ihn spekuliert, von Fans wurde er bereits sehnsüchtig erwartet – jetzt ist er da: der „G-Browser“ Chrome. Die User und Rezensenten zeigten sich in der ersten Woche nach dem Release gespalten. Vom „schnellsten Browser aller Zeiten“ ist einerseits die Rede, auf der anderen Seite schlagen Datenschützer Alarm.



Werfen wir zunächst einen Blick darauf, was der Software-Gigant selbst an seinem neuen Baby preist. Da heißt es ganz zuvorderst und in bester Suchmaschinentradition „Ein Suchfeld für alles“ . Das bedeutet, wer einen einzelnen Begriff in die Webleiste eingibt, kann direkt eine Google-Suche starten. Ebenso werden zum Wort passende Websites zur Auswahl gestellt. Dass das Surfen in mehreren Tabs stattfindet, gehört mittlerweile zum Standard, selbst Microsofts lange vernachlässigter Internet Explorer bietet das. Neu ist bei Chrome aber, dass jeder Tab eine autonome Anwendung ist – die arbeiten nach dem so genannten „Sandbox-Prinzip“. Stürzt ein Tab ab, arbeiten die anderen gelassen weiter. Dazu kommt eine überarbeitete Javascript-Engine, die die Touren durchs WWW erheblich beschleunigen soll. Alles in allem gesellt sich der Neue zu den führenden Browsern, ohne revolutionäre Innovationen zu bieten, denn die meisten der Features sind beispielsweise auch in der neuesten Firefox-Version oder im Apple-Produkt Safari enthalten. Optisch wurde bewusst auf ein schlichtes Layout gesetzt.


Bislang handelt es sich freilich nur um eine Beta-Version, die noch nicht endgültig finalisiert ist, aber doch zum alltäglichen Gebrauch geeignet sein soll. Das Sicherheitsportal heise stellt dennoch unter anderem die (derzeitige) Funktionsfähigkeit des „Sandbox-Prinzips“ infrage.


Im Zentrum der Kritik steht jedoch vor allem die „privacy policy“, also die Datenschutzbestimmung, von Chrome. Denn jeder Benutzer des Browsers erhält eine eigene Idenfikationsnummer, sodass bei jeder Suchanfrage die Informationen an Google gelangen. Es wurde sogar bereits herausgefunden, dass dieser Datentransfer schon beim Eintippen in die Webleiste geschieht, also bevor die Suche tatsächlich ausgeführt wird. Hier der Hinweis eines Forum-Users, wie man die ID-Identifikation von Chrome entfernen kann. So können die Daten dem Benutzer nicht mehr zugeordnet werden.


So streitet sich auch die renommierte Journaille um Spiegel, Welt und Süddeutsche weiter darum, wie Chrome einzuordnen ist. Fest steht, dass es selten so viel Wirbel um die Beta-Version einer Software gab und dass der „G-Browser“ zumindest in der jetzigen Form keine Revolution für den Internet-Nutzer darstellt. Größter Streitpunkt bleibt der Datenschutz.


Es folgt ein Kommentar zu den wirtschaftlichen Ambitionen Googles.

Dienstag, 2. September 2008

Portrait: Kevin Duckworth

Wir schreiben das Jahr 1988. Michael Jordan wird mit 35 Punkten pro Spiel NBA-Topscorer. His Airness gewinnt den MVP-Titel und heimst auch den Titel für den besten Verteidiger der NBA ein. Die Los Angeles Lakers gewinnen dank eines Triple Double von James Worthy im siebten Spiel der NBA Finals den letzten Titel vor der Wachablösung der Detroit Pistons und Chicago Bulls.



Dass Kevin Duckworth damals die Trophäe als Most Improved Player (MIP) gewinnt, wissen wohl nicht mehr ganz so viele. Der junge Mann aus Harvey/Illinois, der 1986 in der zweiten Runde an neunter Stelle von den San Antonio Spurs gedraftet und direkt nach Portland getradet wird, ist nach einer unspektakulären Rookie-Saison durch die Verletzungen der regulären Center-Spieler Steve Johnson und Sam Bowie gezwungen, die Rolle des startenden Fünfers der Blazers zu übernehmen. Der damals 24-Jährige enttäuscht die Fans in der Rosenstadt nicht und legt eine furiose Saison hin. Mit 15,8 Punkten und 7,4 Rebounds pro Spiel sowie einer starken Verteidigungsarbeit erhält er in seiner zweiten Spielzeit für diese Leistungssteigerung die MIP-Auszeichnung.

Den wohl größten und bewegendsten Moment seiner Karriere erlebt Duckworth im Conference-Halbfinale 1990 gegen die San Antonio Spurs. Nachdem er sich im Vorfeld die rechte Hand gebrochen hatte, kann der Center der Trail Blazers die ersten sechs Spiele der Serie nur von der Tribüne aus beobachten. Auch im siebten Spiel rechnet niemand mit einer Teilnahme von "Duck". Doch als sich die Spieler für die Partie aufwärmen, geht plötzlich ein Raunen durch das Publikum. 12.884 Fans im Memorial Coliseum feiern den unerwarteten Einlauf ihres Centers mit zweiminütigen Standing Ovations. Gegen den Rat des Arztes und ohne das Wissen seines Teams will er an diesem Abend unbedingt seiner Mannschaft helfen und läuft trotz Verletzung auf.

Im Spiel selbst liefert Duckworth zwar keine überragende offensive Vorstellung ab, doch er legt seinen Kontrahenten David Robinson weitgehend an die Kette und hält ihn bei drei von elf Würfen aus dem Feld. Außerdem beschert dieser emotionale Moment des unerwarteten Einlaufens Duckworth' und dessen großer Einsatzwille dem Team einen großen Schub. Das Team aus Portland entscheidet das siebte Spiel mit 108:105 nach Verlängerung für sich, überrollt im Conference-Finale die Phoenix Suns mit 4-2 und zieht erstmals seit 1977 wieder ins NBA-Finale ein. Dieser große Erfolg in der Geschichte der Franchise wird vor allem von den Fans auf den Einsatz von Kevin Duckworth zurückgeführt. Bis heute ist dieses Spiel in Portland und Umgebung legendär. “Das war der unvergesslichste Moment in der Geschichte der Blazers”, sagte Jerome Kersey, damaliger Teamkollege und Freund des Verstorbenen. Im Finale muss das Team aus Oregon sich allerdings den Detroit Pistons mit 1-4 geschlagen geben.

Nach dem Ende seiner Laufbahn lässt er sich in der Nähe seines einstigen sportlichen Mittelpunkts in Oregon nieder. Für sein altes NBA-Team ist er auch abseits des Feldes weiter aktiv – vor allem als Botschafter für gemeinnützige Projekte. So auch am Tag seines Todes, als er an der Küste von Oregon ein Basketballcamp für Kinder ausrichtet. In seinem Hotelzimmer kollabiert er nach einer Herzattacke. Nach der Autopsie ist klar, dass die Herzattacke auf einen angeborenen Herzfehler zurückzuführen ist.

Bei seinen Teamkollegen und anderen NBA-Fans war Duckworth sehr beliebt. Sein anderer Spitzname „Gentle Giant“ (dt. sanfter Riese) lässt sich natürlich auf seine Größe (2,11 Meter) und sein hohes Gewicht, welches sowohl in seiner aktiven als auch vor allem nach seiner Profikarriere starken Schwankungen unterworfen ist, zurückführen. Doch auch auf seinen Charakter spielt dieser Rufname an. "Kevin war einfach gelassen. Er wollte jeden zum Lachen bringen. Er war ein super Teamkollege, der sehr fürsorglich war und der immer helfen wollte, so weit er konnte. Die Trail Blazers-Familie hat ein teures Mitglied verloren. Es wird nie mehr wie vorher sein", blickt der ehemalige Mitspieler Terry Porter auf seinen ehemaligen Teamkollegen zurück.

NBA-Fans erinnern sich gerne an Legenden aus vergangener Zeit: Michael Jordan, Larry Bird und Magic Johnson werden noch heute vergöttert. Auch wenn ein Spieler wie Kevin Duckworth die NBA nicht wie die drei Legenden dominierte, prägte er sie doch und hat sich so einen Platz in der Geschichte der NBA und den Erinnerungen aller Basketballfans verdient.



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