Samstag, 19. Juli 2008

Teil 2 - Ein Rumäne in Bayern

Am Freitagabend reiste ich mit dem Zug von Bamberg nach München. Im vollbesetzten ICE setzte ich mich neben einen jungen Mann aus Rumänien. Er sprach mich auf Englisch an und wir unterhielten uns die ganze Zeit über sein Heimatland. Seine Lebensgeschichte, seine Anekdoten und die Ansichten zu seinem Land möchte ich einmal versuchen wiederzugeben.


Der ca. 30-jährige Mann kommt aus der Stadt Prisja (tut mir leid - nicht richtig verstanden), die rund 50 Kilometer von Bukarest entfernt liegt. Seinen Lebensunterhalt verdient er damit günstige Autos aus Europa per Internet (JA! Die haben dort Internet) aufzuspüren, sie persönlich dort abzuholen, nach Rumänien zu fahren und sie dort weiter zu verkaufen. Das macht er meist drei Tage die Woche und kann mit dem Gewinn sehr gut leben, da die Nachfrage in Rumänien nach europäischen Autos das Angebot weit übersteigt. So erzielt er trotz Steuern und Gebühren an der Grenze einen Reingewinn von ca. 300 €. Das entspräche ungefähr dem durchschnittlichen Monatsgehalt in Rumänien. Allerdings geht er jedes Mal ein großes Risiko ein, da bei einem Unfall mit dem Auto, bei einem gescheiterten Ankauf eines Wagens oder wenn er beraubt wird sein ganzes Kapital verliert oder es stark dezimiert wird. Das würde für ihn einen herben Rückschlag bedeuteten.


Der Rumäne zeichnete ein überraschend kritisches Bild von seiner Heimat. So sei der Unterschied zwischen Arm und Reich sehr groß. Jede politische Regierung habe nur das Ziel, sich selbst zu bereichern und nicht, die Situation der Bewohner zu verbessern. Er will jedoch auf keinen Fall Rumänien verlassen – trotz aller Widrigkeiten.


Laut dem jungen „Autohändler“ gleicht die rumänische Wirtschaft einem Dschungel. Es sei schwer und gefährlich, doch wenn man schlau sei und Einsatz zeige, könne man Erfolg haben und auch reich werden. So wie er. Durch seine Geschäfte in Europa geht es ihm sehr gut und er muss keine körperlich harte Arbeit verrichten. Auch das Rechtssystem in Rumänien sei ein Witz. Er erzählte mir eine Geschichte, um dies zu untermauern: Ein alter Mann stahl ein Huhn, um seinen Hunger zu stillen. Er wurde verhaftet und zu fünf Jahren Haft verurteilt. Ein COE einer der größten rumänischen Banken trieb diese in den Ruin und verschob riesige Beträge in die Schweiz. Er wurde bereits nach sechs Monaten freigelassen.


„Money controls everything!“ Wer Geld hat, kann alles erreichen. Die Polizei sei genauso korrupt wie das Justizsystem. Erst seit zwei Jahren würde die jüngere Generation versuchen diese alten post-kommunistischen Strukturen des Dikatators Nicolae Ceauşescu aufzubrechen. Leider erst mit mäßigen Erfolg, aber so ein Vorgang brauche Zeit.


Während seiner Reisen in Europa hat er viele Sprachen durch das Fernsehen und das einfache alltägliche Sprechen gelernt. Sein Englisch war gut dafür, obwohler noch nie eine Grammatik in der Hand hatte. Außerdem kann er ein bisschen Italienisch, Französisch und Deutsch. Am schlechtesten kamen in seinen Ausführungen die Italiener weg. Sie seien sehr selbstverliebt, arrogant und nicht aufgeschlossen gegenüber Fremden. Niemand könne Englisch und sie wären absolut „stupid“. So fragte ihn ein Italiener: „Habt ihr eigentlich Telefone in Rumänien?“ Das fand er so witzig, dass er sich zehn Minuten darüber kaputt lachte. Deutschland dagegen sei sehr sauber und ordentlich. Für alles gäbe es Regeln. Dafür seien die Menschen sehr verschlossen. Niemand hätte ihm vor einigen Jahren geholfen als er eine Panne hatte. In Rumänien würde einem nach einer Minute sofort geholfen.


Vor der europäischen Union hat er Angst. Speziell graut es ihm vor einer Teuerungswelle durch den Euro. Zwar würde bereits jetzt alles Große mit Euro bezahlt, jedoch habe er in Neu-EU-Oststaaten immer wieder erlebt, dass die Preise dort nach dem Eintritt drastisch anstiegen.


Hoffen wir, dass er in der Nacht noch gut die 15 Autostunden bis nach Rumänien überstanden hat und den Käufer des alten VW Passat glücklich gemacht hat. Übrigens dachte er bis zum Schluss ich käme aus Australien (North Rhine-Westphalia klingt ja fast gleich) und München läge in Österreich.

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