Mittwoch, 30. Juli 2008
Kommentar: Doha-Runde
Im Zuge der drohenden globalen Finanzkrise wagten die Verhandlungspartner es nicht ihre protektionistischen Maßnahmen aufzugeben. Die Angst vor der Globalisierung hat erneut gesiegt. Dabei wäre es doch so leicht gewesen trotz der Finanzkrise – oder gerade wegen ihr – die Zeichen auf einen erneuten Wirtschaftsaufschwung durch eine größere Öffnung der Märkte zu stellen. Vor allem die Schwellenländer (China, Indien) haben zu große Angst durch die Senkung ihrer Außenzölle den Weg frei für billige Importe aus den Entwicklungsländern (Afrika und Lateinamerika) zu machen. Ohne die Außenzölle und die Subventionen würden die chinesischen Bauern reihenweise Pleite gehen. Doch was für einen Sinn hat es Betriebe künstlich am Leben zu lassen? Der Volkswirtschaft nutzt dies auf Dauer nicht viel. Sollte man sie nicht viel besser absterben lassen, um den Weg in eine modernere Wirtschaft mit neuen Zweigen zu ebnen?
Den armen Ländern würden die Industrieländer eine echte Chance geben mit ihrer Landwirtschaft den nationalen Wirtschaften auf die Beine zu helfen. Afrika könnte sozusagen die „Getreidekammer“ des Westens und auch der Schwellenländer werden. Dies wäre eine Möglichkeit für Afrika sich aus der Abhängigkeit der Industrieländer zu befreien. Aber auch die Exportstaaten behindern die Einigung mit ihrer Weigerung Importbehinderung ins eigene Land abzuschaffen. Eigene Grenzen aufrecht zu halten und gleichzeitig den Abriss anderer Grenzen zu fordern ist utopisch.
Auch die EU schützt ihre Bauern noch mit Subventionen. Aus gutem Grund, denn wie alle Politiker möchten auch die der EU-Länder bei der nächsten Wahl wieder gewählt werden.
Alle Staaten haben zu viel Angst, Handlungsschranken aufzuheben. Dabei wäre eine Liberalisierung doch ein Sieg für alle, bessert sie doch langfristig den Wohlstand aller Länder. Zum Erliegen wird der Welthandel nicht kommen, denn regionale Abkommen werden das große globale Abkommen ersetzen. Doch wer wird wohl mehr von solchen regionalen Abkommen profitieren: Der große Westen oder die arme dritte Welt?
Dienstag, 29. Juli 2008
"Acht Blickwinkel": An der Realität weit vorbei
Mir persönlich hat die Idee des Regisseurs, den Film aus dem Sichtfeld verschiedener Personen zu erzählen sehr zugesagt. Es war mal etwas Neues und nicht das alltägliche Hollywood-„Blabla“. Protagonist Dennis Quaid überzeugt in der Rolle des Secret Service Agenten, der alles zum Guten wendet - brillieren tut er jedoch nicht. „Zum Guten wenden“ – genau in diesem Fall bleibt der Film der Fabrik Hollywood treu. Ohne Happy End geht nicht viel im Kino. Natürlich muss alles am Ende gut ausgehen. Doch in der Realität ist nicht alles so rosa. Einen Realitätsanspruch kann der Film meiner Meinung nach nicht stellen.
Nur ein Beispiel: Der Anführer der Attentäter ist auf der Flucht, fast am Ziel seines genialen Planes, plötzlich versperrt ihm ein kleines Mädchen den Weg. Anstatt das Mädchen eiskalt zu überfahren, weicht er aus und verunglückt. Die Entführung des Präsidenten ist gescheitert.
Ein mehrfacher eiskalter Mörder und Terrorrist gibt wegen eines kleinen Mädchens seinen genialen Plan auf?
Die Realität sähe wohl leider anders aus. So löst sich der Film einfallslos auf und lässt die bisherige Ideenquelle des Filmemachers jäh enden. Das kleine Mädchen, das sich auf die Straße verirrt, rettet den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Genau so wie wir es alltäglich erleben – oder nicht?
Wertung: 7,5/10
Donnerstag, 24. Juli 2008
And the US-Presidency goes to... (Teil 2)
Ein weiteres Statement anlässlich des Obama-Besuchs
Der US-Wahlkampf bewegt die Massen, in Deutschland fast noch mehr als es die eigene Bundestagswahl täte und auch an unserem Blog geht das Thema nicht so vorüber. Sowohl der Spiegel ("Deutschland trifft den Superstar") als auch der Stern ("Obama - Erlöser oder Verführer?") titelten mit dem ersten schwarzen Präsidentschaftskandidaten.
Ich persönlich sehe mich als klaren Befürworter Obamas. Damit will ich die kritischen Anmerkungen, die ebenso hinlänglich wie seine Vorzüge diskutiert wurden (Stichwort "Heilsbringer"), nicht abstreiten. Aber ich habe in den etwa zehn Jahren seit ich anfing mich für Politik zu interessieren noch keinen Politiker erlebt, der mich derart überzeugte.
Da ist einer, der endlich mit neuen Ideen kommt. Andere sprechen von blendendem Idealismus und vielleicht lehrt uns die Zukunft, dass es naiv ist so zu denken, aber: Ich hoffe und ich erwarte, dass sich hinsichtlich Amerikas Rolle in der Welt (militärisch wie wirtschaftlich) oder der politischen Lage in der dritten Welt einiges verbessern wird. Die Klimapolitik lasse ich außen vor, da ich diesen Aspekt für eine reine Modeerscheinung im Wahlkampf halte.
Was Obama wohl so besonders macht ist seine Vita, die ihn glaubwürdig erscheinen lässt. Ein schwarzer Mann mit weißer Mutter und kenianischem Vater, der auf Hawaii und in Indonesien aufwuchs, nach Kenia fährt und sich dort zusammen mit seiner Frau einem Aids-Test unterzieht, kann dort ein Zeichen setzen. Man stelle sich nur den alten Vietnam-Veteranen McCain (in diesem Bild rechts neben Präsident Nixon) mit seinem Hollywood-Lächeln daneben vor... Sein großes Plus sind ja angeblich die wirtschaftlichen Verbindungen, die er besitzt. Lasst es mich so sagen: Die hatte ein George W. Bush auch. Dennoch ist es vollkommen richtig, dass die beiden alles andere als politische Doppelgänger sind.
Es wird spannend zu sehen sein, wie (und ob) die Nahost-Frage in den nächsten Jahren geklärt wird - schwierig wird es mit beiden Kandidaten. Obamas Weg erscheint mir jedoch besser als McCains Brechstange. Ein Problem für das beide wenig können, da es Bush jun. war, der die Büchse der Pandora 2003 wieder geöffnet hat. Doch halt: Während der Republikaner für die Invasion im Irak stimmte, lässt sich Obamas Nein auch von Kritikern nicht wegdiskutieren.
Insbesondere im Vorfeld schlug auch Obamas Berlin-Besuch hohe Wellen. Hintergrund dieser "Show-Rede" am Donnerstagabend war selbstverständlich der Wahlkampf in den Vereinigten Staaten. Darum ging es in erster Linie, auch wenn die 200.000 Zuschauer vielleicht anderer Meinung sein werden. Es ging nicht darum, die "Obamania" in Deutschland auszubauen oder einfach sein Programm hier vorzustellen. Ziel war es, den Wählern in der Heimat den europäischen Rückhalt vorzuführen. Das ist wichtig, denn unter Bush hat Amerikas Ruf bekanntlich stark gelitten: Obama dagegen präsentiert sich als erfolgreicher US-Export-Schlager.
Wie sich der Kandidat Obama als Mr. President schlagen würde, kann jetzt noch niemand sagen. Meine Wünsche für den November hat dieser Mann jetzt aber allemal.
Das ist meine Sicht der Dinge. Zuvor hatte mein Blog-Mitbegründer seine Position dargelegt.
(-->Teil 1)
Mittwoch, 23. Juli 2008
And the US-Presidency goes to... (Teil 1)
Während der Demokrat in Europa manchmal wie ein Heilsbringer oder Prophet dargestellt wird, ist er in den USA schon entzaubert. Ist es auch hier nur noch eine Frage der Zeit bis den afroamerikanischen Senator die Realität einholt?
Im Zuge seines Deutschland-Besuchs schien es fast schon als wäre Obama bereits Präsident. Er sollte am Brandenburger Tor eine Rede halten, hatte unter anderem Berlins OB Klaus Wowereit verlangt. Die Bilder vom redenden US-Präsidentschaftsbewerber hätte sofort alte Erinnerungen an Reden von John F. Kennedy, Bill Clinton und Ronald Regan hervorgerufen. Eine objektive Position zum amerikanischen Wahlkampf sieht anders aus. Angela Merkel verhinderte jedoch einen allzu medienwirksamen Auftritt Obamas und nun darf er „nur“ vor der Siegessäule sprechen.
Den Demokraten umhüllt der Wind des Wechsels. Viele Deutsche erwarten von ihm, dass er die Welt wieder ins Gleichgewicht bringt, der Politik wieder die Ehrlichkeit einhaucht, die viele mittlerweile vermissen. Überhaupt werden riesige Ansprüche an den Senator aus Illinois gestellt. Mit ihm will Deutschland endlich wieder das Verhältnis zu den USA normalisieren, nachdem es sich in Vorfeld des Irak-Krieges so dramatisch verschlechtert hatte.
Sein Kontrahent John McCain repräsentiert für viele das Böse. Ein direkter Thronfolger von George W. Bush, den in Deutschland schon lange niemand mehr an der Spitze der USA sehen will. Mit ihm werden der Irak-Krieg und der Krieg in Afghanistan verbunden. Ein Amerika, das sich als Sheriff der Welt sieht und auf nichts und niemanden hören will. Ein Land, das mit dem größten Militär der Welt mehr Macht als jedes andere besitzt. Doch ist McCain wirklich ein zweiter Bush? Er hat durchaus andere Position in den Punkten Klimaschutz, der Behandlung von Terrorverdächtigen und der Durchführung des Krieges im Irak als der jetzige Präsident. Mit Obama wird alles anders, glauben viele. Doch kann er wirklich Amerika so verändern? Will er es überhaupt so sehr verändern?
Meiner Meinung nach liegen der Republikaner und der Demokrat viel näher beieinander, als manch einer es wahr haben will. Im Vorwahlkampf war Obama noch der große Veränderer, der sich sowohl von Hillary Clinton als auch McCain abgrenzte - mit jungen frischen Parolen. Jetzt im Hauptwahlkampf rückt er immer weiter in die Mitte – weg von seiner linken Ausgangsposition. Er bricht seine Versprechen wie jeder anderer Politiker. Wollte er im Vorwahlkampf noch Waffenbesitz stark einschränken, pocht er jetzt auf das alte amerikanische Recht eine Waffe zu besitzen. Wahlkämpfe sollten öffentlich finanziert werden, forderte er noch vor einigen Monaten. Jetzt auf einmal will er davon nichts mehr wissen, denn Geld - auch das der Lobbyisten - stinkt bekanntlich nicht.
Obama kann und wird nicht das grundsätzliche Bild von Amerika verändern. Die USA werden die größte Militärmacht bleiben und auch weiterhin ihre Führungsposition behaupten wollen. Obama ist kein linker Kriegsgegner. Er will lediglich einen „verantwortlichen Rückzug“ aus dem Irak durchführen. Dieser könnte durchaus auch fünf oder zehn Jahre dauern. Die Truppen in Afghanistan will er sogar verstärken und das gesamte Militär noch einmal um 90.000 Soldaten aufstocken. McCain spricht zwar von keinem Rückzug aus dem Irak und will das Militär um ein paar Soldaten mehr aufstocken, wirklich weit auseinander sind die Positionen der beiden in diesen Punkten allerdings nicht. Vor allen nicht so weit, wie es manche Menschen glauben.
Außenpolitisch gilt McCain als viel erfahrener als der "Jungspund" Obama. Doch egal ob mit dem Demokraten oder auch mit dem Republikaner, auf jeden Fall kommt auf Deutschland eine Forderung nach größerer Verantwortung in Afghanistan zu. So oder so muss Deutschland in Zukunft international – auch militärisch – eine größere Rolle einnehmen.
Momentan zerbröckelt der Heiligenschein von Barack Obama - besonders in Amerika. Wie auch John Kerry vor vier Jahren rückt er weiter in die Mitte, um sich wichtige Stimmen zu sichern. Kerry kostete dieses Vorgehen den fast sicheren Wahlsieg, denn junge Linke - zuvor sichere Wähler - vergraulte er. Dieses könnte auch Obama drohen, wenn er die Verwandlung vom jungen "Veränderer" zum stereotypischen amerikanischen Politiker nicht stoppt.
Es ist zu einfach John McCain als „den Bösen“ abzustempeln, während man Obama als neuen Heilsbringer zujubelt.
Dies war meine Position. Demnächst folgt die Position von meinem Blog-Kollegen.
(-->Teil 2)
Kommentar der FAZ
Samstag, 19. Juli 2008
Musik: Hätte Bob Marley heute noch Erfolg?
Betrachten wir den Auftritt also mal mit den Augen eines völlig Unbelasteten, der von Marley noch nichts gehört hat. Wir würden seine Hits nicht kennen und erst recht nicht seine Stellung als Inbegriff des Roots Reggae. Dann wäre der zu dem Zeitpunkt 32-Jährige nur noch ein bekiffter Mann mit wilder Rasta-Frisur, der auf der Bühne steht. Seine unorthodoxen Tanzschritte müssten auf junge Groupies, die fast nur noch komplett einstudierte Choreographien kennen, lächerlich wirken. Marley spielt nicht sonderlich gut Gitarre, greift nur dann zum Instrument, wenn er ein paar Akkorde zur Untermalung beisteuern will. Die Stimme ist ungleichmäßig, jeder Gesangskritiker à la Dieter Bohlen hätte seine Freude daran, ihn auseinander zu nehmen.
Warum aber hat Marley dann trotzdem diesen Kultstatus inne? Ich denke, es ist neben seinen eingängigen Rhythmen (bei "Stir it up" oder "Could you be loved" wippen selbst Reggae-Muffel im Takt mit) vor allem die Botschaft, die seine Texte vermitteln sollen. Diese drehen sich vor allem um ein friedvolles Miteinander, zumindest würde ich den Schwerpunkt so setzen. Andere mögen da vielleicht eher auf den Rastafari-Kult verweisen oder den Aufruf zu mehr Liebe - oder auch gar nichts darin sehen, denn Geschmäcker unterscheiden sich. Für diejenigen, die diese Message anspricht aber, entspricht sie einem erstrebenswerten Ideal und auch den Freiheitsgedanken der 70er-Jahre. Dazu trägt Marley die Songs - unterstützt von einer starken Band und Background-Sängern - voller Leidenschaft vor. Auch wenn es ein anderes Genre ist, dachte ich dabei unweigerlich an den Begriff "Soul": Mit Leib und eben Seele die Musik erleben, das machte die Musiker dieser Epoche aus. Zumindest wird sie heutzutage oft so romantisiert.
Sein Tod aufgrund einer Krebserkrankung am Zeh trug zu der Legendenbildung natürlich ebenso bei, wenn auch nicht in dem Maße wie es etwa bei Kurt Cobain (Nirvana) der Fall war. Denn schon zuvor war er gerade in der armen schwarzen Bevölkerung eine Identifikationsfigur. Und das nicht nur in Jamaika, man spricht von ihm auch als den ersten "worldwide superstar". Seine Krankheit war Marley längere Zeit bewusst, jedoch entschied er sich aufgrund seiner Religion gegen eine Therapie. Mit 36 Jahren starb der vielfache Vater (Gerüchten zufolge soll er bis zu 46 Kinder gezeugt haben) in Miami, knapp vier Jahre nach der Aufzeichnung des Konzerts in London.
Für mich persönlich kam ich am Ende zu dem Schluss, dass Marley es in unserer etwas kantenlosen Welt schwer hätte sich durchzusetzen. Sein Status unter den Fans und die Wirkung seiner Songs auch heute noch belegt aber, dass seine Popularität auch weiterhin Bestand hat.
Teil 2 - Ein Rumäne in Bayern
Am Freitagabend reiste ich mit dem Zug von Bamberg nach München. Im vollbesetzten ICE setzte ich mich neben einen jungen Mann aus Rumänien. Er sprach mich auf Englisch an und wir unterhielten uns die ganze Zeit über sein Heimatland. Seine Lebensgeschichte, seine Anekdoten und die Ansichten zu seinem Land möchte ich einmal versuchen wiederzugeben.
Der ca. 30-jährige Mann kommt aus der Stadt Prisja (tut mir leid - nicht richtig verstanden), die rund 50 Kilometer von Bukarest entfernt liegt. Seinen Lebensunterhalt verdient er damit günstige Autos aus Europa per Internet (JA! Die haben dort Internet) aufzuspüren, sie persönlich dort abzuholen, nach Rumänien zu fahren und sie dort weiter zu verkaufen. Das macht er meist drei Tage die Woche und kann mit dem Gewinn sehr gut leben, da die Nachfrage in Rumänien nach europäischen Autos das Angebot weit übersteigt. So erzielt er trotz Steuern und Gebühren an der Grenze einen Reingewinn von ca. 300 €. Das entspräche ungefähr dem durchschnittlichen Monatsgehalt in Rumänien. Allerdings geht er jedes Mal ein großes Risiko ein, da bei einem Unfall mit dem Auto, bei einem gescheiterten Ankauf eines Wagens oder wenn er beraubt wird sein ganzes Kapital verliert oder es stark dezimiert wird. Das würde für ihn einen herben Rückschlag bedeuteten.
Der Rumäne zeichnete ein überraschend kritisches Bild von seiner Heimat. So sei der Unterschied zwischen Arm und Reich sehr groß. Jede politische Regierung habe nur das Ziel, sich selbst zu bereichern und nicht, die Situation der Bewohner zu verbessern. Er will jedoch auf keinen Fall Rumänien verlassen – trotz aller Widrigkeiten.
Laut dem jungen „Autohändler“ gleicht die rumänische Wirtschaft einem Dschungel. Es sei schwer und gefährlich, doch wenn man schlau sei und Einsatz zeige, könne man Erfolg haben und auch reich werden. So wie er. Durch seine Geschäfte in Europa geht es ihm sehr gut und er muss keine körperlich harte Arbeit verrichten. Auch das Rechtssystem in Rumänien sei ein Witz. Er erzählte mir eine Geschichte, um dies zu untermauern: Ein alter Mann stahl ein Huhn, um seinen Hunger zu stillen. Er wurde verhaftet und zu fünf Jahren Haft verurteilt. Ein COE einer der größten rumänischen Banken trieb diese in den Ruin und verschob riesige Beträge in die Schweiz. Er wurde bereits nach sechs Monaten freigelassen.
„Money controls everything!“ Wer Geld hat, kann alles erreichen. Die Polizei sei genauso korrupt wie das Justizsystem. Erst seit zwei Jahren würde die jüngere Generation versuchen diese alten post-kommunistischen Strukturen des Dikatators Nicolae Ceauşescu aufzubrechen. Leider erst mit mäßigen Erfolg, aber so ein Vorgang brauche Zeit.
Während seiner Reisen in Europa hat er viele Sprachen durch das Fernsehen und das einfache alltägliche Sprechen gelernt. Sein Englisch war gut dafür, obwohler noch nie eine Grammatik in der Hand hatte. Außerdem kann er ein bisschen Italienisch, Französisch und Deutsch. Am schlechtesten kamen in seinen Ausführungen die Italiener weg. Sie seien sehr selbstverliebt, arrogant und nicht aufgeschlossen gegenüber Fremden. Niemand könne Englisch und sie wären absolut „stupid“. So fragte ihn ein Italiener: „Habt ihr eigentlich Telefone in Rumänien?“ Das fand er so witzig, dass er sich zehn Minuten darüber kaputt lachte. Deutschland dagegen sei sehr sauber und ordentlich. Für alles gäbe es Regeln. Dafür seien die Menschen sehr verschlossen. Niemand hätte ihm vor einigen Jahren geholfen als er eine Panne hatte. In Rumänien würde einem nach einer Minute sofort geholfen.
Vor der europäischen Union hat er Angst. Speziell graut es ihm vor einer Teuerungswelle durch den Euro. Zwar würde bereits jetzt alles Große mit Euro bezahlt, jedoch habe er in Neu-EU-Oststaaten immer wieder erlebt, dass die Preise dort nach dem Eintritt drastisch anstiegen.
Hoffen wir, dass er in der Nacht noch gut die 15 Autostunden bis nach Rumänien überstanden hat und den Käufer des alten VW Passat glücklich gemacht hat. Übrigens dachte er bis zum Schluss ich käme aus Australien (North Rhine-Westphalia klingt ja fast gleich) und München läge in Österreich.
Donnerstag, 17. Juli 2008
Bayern: Wer braucht schon Demonstrationen?
Die CSU attackiert eines der wichtigsten demokratischen Grundrechte: das Versammlungsrecht.
Der bayerische Landtag hat mit der Stimmenmehrheit der CDU das heftig umstrittene neue Versammlungsgesetz verabschiedet. Seit der Nacht zum Donnerstag dürfen Demonstrationen quasi nur noch dann durchgeführt werden, wenn sie niemanden stören. Der Artikel 113 der Bayerischen Verfassung besagte bisher: "Alle Bewohner Bayerns haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder besondere Erlaubnis friedlich und unbewaffnet zu versammeln." Mit diesem Luxus ist es in Bayern jetzt vorbei. Ab sofort müssen Versammlungen 72 Stunden vorher angemeldet werden und detailliert erläutert werden. Die Polizei hat das Recht diese zu filmen und die Aufnahmen zu speichern. Im schlimmsten Fall darf der Staat die Demonstration sogar verbieten, wenn „die Rechte Dritter unzumutbar beeinträchtigt werden könnten". Dieser Gesetzestext lässt reichlich Spielraum für Interpretationen. (Lärmbelästigung?)
„Wir sind so frei“
Die CSU rechtfertigt die Änderung mit der Absicht Versammlungen verfassungsfeindlicher Gruppierungen wie der NPD verbieten zu wollen. Doch alle Beobachter stellen sich die Frage, ob dieses Gesetz wirklich nur gegen rechtsextremistische Gruppen oder nicht gegen alle Bürger gerichtet ist. Die Fraktion der Grünen brachte ihren Unmut durch ein T-Shirt mit der Aufschrift „Wir sind so frei“ zum Ausdruck. Die Gegenstimmen von den Grünen und Teilen der SPD reichten jedoch nicht, um das Gesetz zu kippen.
Die Begründung der christlichen Union nur die Nazis treffen zu wollen ist reine Utopie. Diese Gruppierung hätte man viel eher durch ein weiteres Bemühen um ein Parteiverbot treffen müssen. Dieses Gesetz greift in ihrem Wortlaut auch alle demokratischen Bewegung, die ihre Meinung öffentlich kund tuen wollen, an. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach die besondere Hochwertigkeit der Freiheit zur Versammlung verkörpert durch Demonstrationen (Brokdorf-Beschluss, Fuckparade u.a.) betont. Dieses bürgerliche Grundrecht anzugreifen ist eine Anmaßung der CSU, die eine Grenze überschritten hat. Die SPD-Landtagsfraktion erwägt eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht und auch andere Organisationen kündigten Widerstand an.
Mittwoch, 16. Juli 2008
F(r)eier-Laune für Comunio-Spieler!
Generell ist festzuhalten, dass die Preise für die Spieler in der Pause großen Schwankungen unterliegen. Kurz nach dem Saisonübergang liegen die "Ablösesummen" der Topstars schonmal deutlich über 20 Millionen Euro, verringen sich in den Wochen der Vorbereitung aber drastisch. Bis zu einem Drittel können sie sinken - und das ohne Einfluss von Form oder Verletzung! Ein Beispiel dafür ist zurzeit Zé Roberto (Bild von flickr.com) von Bayern München. Obwohl er mit 150 Punkten in der abgelaufenen Saison einer der besten Spieler war, kostet er im Moment nur etwa 7,5 Millionen.
Einer, der trotz des Trends eine umgekehrte Marktwertentwicklung aufweist, ist Bochums Paul Freier. Nach seinem Wechsel aus Leverkusen, wo er lange von Verletzungen geplagt war, an die alte Wirkungsstätte im Ruhrgebiet stieg sein Wert enorm. Für etwa 500.000 Euro konnten die Manager Ende vergangener Saison zuschlagen, jetzt ist der ehemalige Nationalspieler schon 2,6 Millionen wert. Das entspricht einer Steigerung um mehr als 500%! Grund dafür ist die Aussicht, dass "Slawo", wie er in Bochum genannt wird, wieder zu alter Form zurückfindet. Die Euphorie bei den Fans ist riesig, dem Spieler ist die Freude über das neue Engagement richtig anzusehen - die Vorzeichen stimmen. Ob die Manager mit ihm gut spekuliert haben oder Freier enttäuscht, wird sich allerdings noch zeigen müssen.
Ein Fehlgriff war dagegen André Lima von Hertha BSC. Erst im Winter kam der Brasilianer aus Zürich, jetzt wurde er schon wieder abgegeben. Zunächst für eine Saison wurde er an Sao Paulo in seiner Heimat verliehen.
Wofür testen Bundesligisten? oder: Ist Wuppertal besser als Schalke?
Das wirft die Frage auf, ob die Profis in den fußballlosen Wochen alles vergessen haben, was den Sport ausmacht. Ergebnisse wie jüngst Schalkes 0:3 in Wuppertal oder im Vorjahr die Niederlage Real Madrids bei Hannover 96 verstärken diesen Eindruck. Offensichtlich hat nicht nur der Pokal seine eigenen Gesetze...
Da bleibt immer noch die Frage, warum so munter getestet wird, wenn die Resultate doch praktisch keine Rolle spielen. Egal ob ein Champions League-Anwärter oder ein Kreisligist der Gegner ist, das Einspielen einer neuen Taktik ist nur in den seltensten Fällen der Grund. Tatsächlich geht es vor allem darum Marketingzwecke zu erfüllen und Fans sowohl in der Provinz wie auch im Ausland zufrieden zu stellen. Bester Beleg ist die internationale Kampagne der DFL, für die unter anderem bereits Borussia Dortmund im Winter in China war und am 5. August Werder Bremen nach Bulgarien zu Levski Sofia reist, um Zuschauer in Osteuropa zu werben.
Chris Kaman der Schlüssel nach Peking?
flickr.com
Der 26-Jährige spielt in der amerikanischen Profiliga für die Los Angeles Clippers und bewies letzte Saison bis zu seiner Verletzung, wie stark er rebounden und punkten kann. 15,7 Punkte pro Spiel und 12,7 Rebounds im Schnitt legte er auf. Grandiose Werte für den 2,13 Meter großen Riesen. Nicht zu vergessen seine starken Blockqualitäten. Hier gegen Superstar Kevin Garnett.
Rechtzeitig zum Qualifikationsturnier für die olympischen Spiele in Athen ging die Einbürgerung über den Tisch. (meinen Dank an das Innenministerium)
Somit steht Nowitzki mit seinem Liga-Kollegen an der Seite die Tür zu seinem großen Traum Peking 2008 ganz weit offen.
Dritter Platz ist Pflicht
Zu erst muss Deutschland allerdings mindestens den dritten Platz beim FIBA-Qualifikationsturnier erreichen. In der Vorrunde gewann man klar gegen die Kapverden und Neuseeland. In beiden Spielen überzeugte der Neu-Deutsche. (Kapverden 10 Punkte, 10 Rebounds; Neuseeland: 20 P., 4 R.) Nun muss man gegen Brasilien im Viertelfinale gewinnen.
Was viele nicht über Kaman wissen ist, dass er seit seiner Kindheit auf einer Farm angeblich an dem Aufmerksamkeitsdefizit (kurz: ADS) leiden sollte. Dies äußert sich normalerweise primär durch leichte Ablenkbarkeit und geringes Durchhaltevermögen, sowie ein leicht aufbrausendes Wesen mit der Neigung zum unüberlegten Handeln, häufig auch in Kombination mit Hyperaktivität (ADHS). Dieses Syndrom wurde auch mit Pillen behandelt, was natürlich auf Grund der Fehldiagnose –wie man im Januar 2008 feststelle - problematisch wurde.
Im Sommer fand man heraus, dass die wahre Ursache der Probleme Kamans Gehirn ist, welches zu schnell arbeitete. Er befindet sich - nun hoffentlich in der richtigen - Behandlung. Seinem Basketballspiel scheint das alles nicht zu schaden und so hoffen wir, dass die deutsche Basketballnationalmannschaft mit Kaman am Freitag die erste Hürde Viertelfinale und letztendlich die Qualifikation für Olympia schafft. Mit dem „doppeltem Staatsbürger“ sind die Chancen auf jeden Fall um ein Vielfaches größer geworden.
Dienstag, 15. Juli 2008
Bank Job: Relaxter Gangster-Streifen
Für mich persönlich ist "Bank Job" ein typischer Freitagabend-Film. Es wird einem solide Unterhaltung geboten, mit einigen Gags und coolen Sprüchen. Insbesondere die Hauptfigur Terry mit Dreitagebart und einem Blick, der jede noch so verwegene Schnapsidee möglich erscheinen lässt, nimmt den Zuschauer mit in das Abenteuer. Die Story ist gut durchdacht und hält einige Wendungen parat. Ich hätte sie gar als Glanzstück der Drehbuchautoren betrachtet, wäre da nicht der Hinweis auf den wahren Hintergrund gekommen. Auf Einzelheiten (da sei zum Beispiel ein Bohrer genannt, der dicken Betonboden mühelos perforiert) sollte man bei diesem Genre aber besser nicht allzu viel geben.
Sehr gut gefiel mir auch das Ambiente der 70er-Jahre, was jedoch auch meiner persönlichen Neigung in diese Richtung geschuldet ist. Kleidung, Autos, Musik und politischer Hintergrund (schwarze Aktivisten à la Malcolm X) runden den Gesamteindruck ebenso wie die angedeuteten Charaktere ab. Präzise und in die Tiefe gehende Charakterzeichnung findet aber kaum statt.
Fazit: Man nehme einen coolen Kleingangster, ein paar Tollpatsche, die ihn unterstützen sollen, untermale das mit 70er-Flair und hübschen Frauen dazu - fertig. Ein Film, der wohl zum Großteil den männlichen Zuschauern gefallen wird.
Bewertung: 7/10
Vergleichbar mit: Der Schneider von Panama, The Score
The Wombats: „Girls, Boys & Marsupials“
1. I’m moving to New York: Erstes Lied und sofort ein absoluter Ohrwurm. Ein Albumbeginn nach Maß.
2. Lost in the Post: Ein etwas poppiger Beginn, der Rockfans übel aufstößt. Mit dem Refrain bessert sich das Lied, reicht aber nicht an die Qualität von Lied Nummer Eins heran. Erinnert ein wenig an diverse amerikanischen Teenie-Rockbands.
3. Patricia the Stripper: Der Titel verspricht Interessantes, kommt aber über eine verzweifelte und hoffnungslose Liebesanbetung nicht hinaus. Musikalisch nett und textlich witzig.
4. Party in a Forest: Der Beginn ist absolut genial. Sehr rhythmisch und gut anzuhören. Der Refrain mindert die Qualität des Liedes leider, da er für mich zu monoton und langweilig ist und im Vergleich zu den Strophen enttäuscht. Eins der wenigen Lieder bei denen ich mich freue, wenn der Refrain vorbei ist.
5. Backfire at the Disco: Sehr schönes Party-Lied. Relativ schnell und ideal zum Tanzen. Der Sänger berichtet von einem gescheitertem Date, dass für ihn nicht gut ausgeht.
6. My first Wedding: Textlich eins meiner Lieblingslieder der CD. Der Protagonist zieht über eine Hochzeit her und lässt keine Gelegenheit aus, Obszönität voll einzusetzen. Trotzdem ist die Geschichte sehr amüsant. Die instrumentale Musik tritt bei diesem Lied für mich in den Hintergrund und räumt der Geschichte ihren Platz ein.
7. The Metro Song: Sofort am Anfang lassen einen die Gitarrenakkorde unwillkürlich mit dem Fuß wippen. Die kurzen ruhigen Pausen tun der Qualität keinen Abbruch. Der Refrain ist gut, aber nicht überragend. Der beste Teil des Liedes ist die Gitarre zu Beginn jeder Strophe.
8. Derail and Crash: Nette kleine Geschichte. Geht aber in den anderen Liedern unter.
9. Little Miss Pipe Dream: Klein, aber fein. Ruhiges Lied mit einer guten orginellen Liebesgeschichte.
10. Carvan Wales: Wer zuvor fast eingeschlafen ist, wacht jetzt wieder auf, deutlich schneller ist dieses Lied. Überzeugt hat es mich trotzdem nicht so ganz.
11. Sunday T.V: Gute Medienpersiflage.
12. Acapella: Die Jungs lassen ihr musikalisches Können aufblitzen und machen auch ganz ohne Instrumente einen guten Eindruck.
Bewertung: 7,5/10 Punkte
Vergleichbar mit: Maximo Park, The Rakes
Porträt: Patrice - A worldwide resident (2)
Wenn es um die Wirkung seiner Songs geht ist der sonst zurückhaltende Patrice ganz unbescheiden: Er will die Welt verändern. „Nile“ und die dazugehörige Tour beginnt daher nicht ohne Grund mit dem Song „Today“.
Hier ein Auszug daraus:
"I will change the world today, I don’t care what the people say, there’s a brighter day to come"
Nach seinem zweiten Album befand sich Patrice in etwas wie einer Sinnkrise, doch durch Reise in das Heimatland seines Vaters wurde er in seiner Einstellung bestärkt. Dort brachten ihn insbesondere die Aufgeschlossenheit und Freude der Bevölkerung Sierra Leones wieder auf seinen Weg zurück. Das Land gehört zu den ärmsten dieser Welt, obwohl es riesige Vorkommen an Diamanten beherbergt. Zuletzt machte unter anderem der Film „Blood Diamond“ mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle auf diese Problematik aufmerksam.
Eines der Lieder, das seine politische Haltung am besten widergibt, ist „Jah Jah Deh Deh“, in dem er von Patrice Lumumba, Steven Biko, Kwame Nkrumah, Marcus Garvey, Malcolm X und Mahatma Gandhi erzählt. Denn die haben alle eins gemein: Sie kämpften auf verschiedene Arten für Freiheit und Gleichheit der Menschen und wurden letztendlich deshalb ermordet. Darauf folgt die geradezu geniale Zeile „burying their bodies was like burying seeds“ (zu Deutsch: Ihre Leichen zu begraben war wie das Vergraben von Saat). Sie zeigt, dass ihr Tod ihre Überzeugung erst recht weiter verbreitete und sie dadurch größere Beachtung fanden. Am Rande: Patrice Lumumba ist der Namensgeber für den Musiker.
In „Have you seen it?“ bezeichnet sich Patrice selbst als einen „worldwide resident”, zurecht wie wir anhand seiner Biografie gesehen haben. Dazu passt auch, dass er seine Songs auf Patois vorträgt (ein jamaikanischer Englisch-Slang, auch Creole genannt), bei Konzerten auch mal französische Passagen einschiebt und aufgrund seines Geburtslandes natürlich auch fließend Deutsch spricht.
Sonntag, 13. Juli 2008
Porträt: Patrice - A worldwide resident (1)
Um ihn besser kennen zu lernen, beginnen wir die Reise ganz vorne. Am 9. Juli 1979 wurde Patrice mit dem Namen Patrice Bart-Williams in Kerpen bei Köln geboren. Dem Ort also, von dem aus auch die Formel-1-Brüder Schumacher auszogen, die Welt zu erobern. Patrices Vater Gaston war ein Gastarbeiter aus Sierra Leone in Westafrika, seine Mutter eine Deutsche. Am Tag seiner Geburt starb sein Großvater, was ihm den afrikanischen Beinamen Babatunde einbrachte, den er selbst seinem bürgerlichen Nachnamen vorzieht. Er bedeutet in etwa „die Wiedergeburt des Vaters“ – ein Thema, das auch in seinem neuen Album eine wichtige Rolle spielt. 2005 wurde er erstmals selbst Vater: Seine Partnerin Ayo, ebenfalls Musikerin (empfehlenswertes Album „Joyful“) mit multikulturellen Wurzeln, brachte Sohn Nile zur Welt. Den gleichen Namen trägt der Vorgänger von „Free PatriAtion“. Die Wahl fiel darauf, weil der Sänger den Fluss als Symbol des Lebens versteht.
Zur folgenden Darstellung - im ersten wie im zweiten Teil - merke ich an: Ich kenne Patrice nicht persönlich, doch ich habe seine Musik in verschiedenen Lebenslagen gehört und versuche ihn so darzustellen wie er mir erscheint.
Teil 1 - Ein Ausländer in Bayern
P.S: Und bitte alles ernst nehmen.
Teil 1:
Der Mann steigt aus dem Zug und versteht plötzlich nichts und niemanden mehr, obwohl er die Grenzen seines schönen deutschen Vaterlandes nicht überschritten hat. Der Freistaat Bayern mit all seiner Eigenheit überrollt ihn wie ein ICE mit 200 Stundenkilometern - frontal ohne Erbarmen.
Er fragt Leute nach dem Weg, trotz deutlich erkennbarer deutschen Sprachwurzeln versteht er nicht mehr als ein paar Silben. Nach mehrmaligen Nachfragen geben die zu erst Hilfsbereiten entgeistert auf und murmeln nur wüst nicht freundlich klingende Worte. Genau so schlau wie vorher bahnt sich der Mann weiter seinen Weg durch das Ausland. Exotische Speisen und Getränke werden ihm auf seinem Weg angepriesen. Zwar optisch bekannt aus großen Supermärkten, namentlich aber nicht zuzuordnen. Überall säumen Biergärten, Brauereien und Braukeller den Weg. Fasziniert von der fremden neuen Welt irrt er durch die Straßen.
Endlich ein bekanntes Gebäude. Das große gelbe „M“ scheint ihm wie ein Zeichen der Zivilisation, der Heimat. Strahlend steuert er den Imbiss-Tempel an und tritt ein in das immer gleich aussehende amerikanische Restaurant. Doch am Schalter die Ernüchterung. Ein Dialekt der übelsten Sorte schallt dem Mann entgegen. Verzweifelt versucht er sich auf Englisch zu verständigen. Der Verkäufer mit der albernen Schirmmütze antwortet eintrainiert in englisch-ähnlichen Phrasen. Der Grundakzent, der das verständliche Element der deutschen Sprachen schier aufsaugen zu scheint, bleibt auch im Englischen teils erhalten. Es reicht aber dafür einen Cappuccino zu bestellen und sich damit ruhig in eine Ecke zu setzen, um über das Geschehen zu reflektieren.
Verwirrt über so viel Ausland im Inland macht der Mann sich Sorgen über seine nahe Zukunft im Land des Bieres. Brauereien scheint es hier mehr zu geben als weitere Filialen des diesigen Burger-Tempels. Dieses eng gestreute Netz von Bierquellen muss einen historischen, gesundheitlichen, logistischen, sozialen oder wenigstens etwas sinnvollen Grund haben. Da reift in seinem Hirn langsam die Erleuchtung.
Erleuchtet verlässt er den Imbiss und steuert auf den nächsten Biergarten zu. Er nimmt die Hürde der unverständlichen Begrüßung und setzt sich an einen kleinen Tisch. Als die Bedienung erscheint bedient er sich der militärischen Zeichensprache und ordert ein Bier. Ein Weizenbier. Drei Minuten später erhält er das sich von dem heimischen Pils-allein durch die Optik vom heimischen Pils klar abgrenzende Getränk. Schnell leert er das Glas. Es fühlt sich gut an. Er merkt eine Veränderung. Schnell bestellt er ein weiteres Glas des gelben Wunders. Es scheint ihm fast als verstünde er die Bedienung. Das frische Bier leert er gierig in ein, zwei Schlücken. Der Weizensaft läuft ihm zu großen Teilen am Mund vorbei, so gierig nimmt er es auf. Dann der Versuch das Vermutete zu beweisen. Er spricht einen „ausländischen“ Tischnachbar an. Er versteht Wörter, fast ganze Sätze und lässt sich triumphierend zu einem weiten Weizenglas einladen. Auch dieses verschlingt er gierig. Die wohl helfende Kommunikationsstütze kaum erwarten könnend. Nach dem dritten Wunderglas scheint er die Hürde Sprache genommen zu haben. Er versteht den Ur-Bayer fast komplett. Das Geheimnis der bayrischen Kommunikation hat sich ihm offenbart. Bier, besonders Weizenbier öffnet das Tor zur barrierefreien Kommunikation im „inländischen Ausland“.